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Wenn wir heutzutage von der Schönheit einer Stadt sprechen, so denken wir zuerst an ihre natürliche Lage und an ihre baukünstlerische Anlage. In beiden Hinsichten bietet Dresden wie bekannt hervorragend Schönes. Wie köstlich liegt die Stadt im weiten Talkessel, ringsum von grünen Hügeln umschlossen, an beiden Ufern der Elbe da! Welch herrliche Bilder erschaut man von der Brühlschen Terrasse, vom Garten des japanischen Palais, von der Augustus-, der Marien-, der Carola- und der Albertbrücke, nicht minder von den ringsum liegenden Höhen! Wie angenehm ist es, durch die Straßen der inneren Stadt zu schlendern und überall Schönheiten zu genießen, ohne daß man je das Gefühl der Ermüdung, der Langweile, der Öde empfindet, das uns in den endlosen Straßen Berlins überkommt, das uns sogar im schönen Wien nicht immer fern bleibt! Diese Schönheiten Dresdens sind größtenteils schon seit Jahrhunderten vorhanden. Da möchte man fragen, ob sie mit Bewußtsein und Absicht geschaffen oder ob sie mehr zufällig geworden sind. Nun – dem Mittelalter und damit den Gründern Dresdens kam es bei der Anlage der Stadt keineswegs auf Schönheit an. Sie dachten daran überhaupt nicht. Sie strebten vielmehr nur nach Sicherheit des Wohnens, des Verkehrs, der Arbeit, des Erwerbs. In diesem Sinne planten und erbauten sie die Stadt so zweckmäßig als möglich; damit aber schufen sie allerdings die Grundlagen ihrer Schönheit, die ohne Zweckmäßigkeit undenkbar ist. Nicht wesentlich anders waren die Gesichtspunkte für die Veränderungen und Erweiterungen Dresdens in den folgenden Jahrhunderten. August der Starke dagegen hat – wenigstens für die 1685 abgebrannte Neustadt – nach ganz festen Grundsätzen einen Bebauungsplan aufgestellt, dessen ausgesprochenes Ziel die Schönheit des Stadtbildes im Sinne der Städtebaukunst des Barockstils war. Das 19. Jahrhundert hat zunächst durch die Beseitigung der Stadtmauern neue Schönheit erschlossen; des weiteren hat es neben einzelnen gelungenen Taten auch gar manche Begehungs- und Unterlassungssünden auf dem Gewissen. Neuerdings aber geht man mit Ernst daran, für die Veränderungen und Erweiterungen der Stadt Grundsätz planmäßiger Städtebaukunst zurückzugewinnen. Noch immer aber dürfen wir mit dem Baron von Pöllnitz sagen, daß Dresden zu den schönsten Städten der Welt zählt.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Heft 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/14&oldid=- (Version vom 27.11.2022)