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das Französische Palais heißen müßte; Longuelunes Lehre und Beispiel hat noch das ganze Jahrhundert hindurch in Dresden weiter gewirkt. Die akademische Baukunst späterer Jahrzehnte fußt auf ihm und auf den französischen Theoretikern seiner Zeit.

Augusts des Starken Plan, das ganze Japanische Palais mit Porzellan zu dekorieren, ist nicht zur Vollendung gediehen. Zahlreiche Pläne wurden entworfen, das Erdgeschoß war für das asiatische, das obere für das Meißner Porzellan bestimmt. Die Wände sollten mit Porzellanplatten belegt werden. Ein großes Glockenspiel war geplant, eine ganze Kapelle mit Kanzel, Altar, Orgelpfeifen und dann zwölf Apostel in Lebensgröße, alles in Porzellan. Selbst Tische und Stühle wünschte sich der König aus seinem Lieblingsstoff hergestellt, auch die Turmuhr und die Japanerhermen. Dazu sollte jedes Gemach in anderer Farbe hergestellt und um den Wert der Gegenstände zu erhöhen, jeder nur einmal gegossen werden. Manches von den gewünschten kostbaren Stücken ist ausgeführt worden, der Plan im ganzen aber blieb ein Traum: der Mangel an Geld, die Sprödigkeit des Materials, der Tod des Königs setzten ihn von der Tagesordnung ab.

KUNSTSAMMLUNGEN.

Als im Jahre 1744 der Stralsunder Prediger Joh. Chr. Müller Dresden besuchte und auch das Japanische Palais besichtigte, erzählte ihm sein Führer der Geh. Bettmeister, das Palais sei – im Innern – ganz unvollkommen geblieben, weil der hochselige König, ein prachtliebender Herr, darüber weggestorben, der neue aber ein schläfriger Herr sei, der sich um nichts bekümmere und auf dergleichen Sachen nichts gebe. Müller sah ein rotes, ein blaues, ein grünes, ein gelbes Zimmer; er sah auch den Thronsaal, „worin der mit Statuen gezierte Thron ganz aus Porzellan hätte sein sollen, er sah auch eine Anzahl Porzellanglocken zu dem geplanten Glockenspiel – es wäre ein gar kostbares Werk gewesen, da sehr viele Glocken vergeblich gebrannt waren, weil es schwer gewesen, den rechten Ton zu treffen.“ Aber zu der Dekoration war nur ein geringer Anfang gemacht: die Gefäße, Figuren, Gruppen aus fremdem und einheimischem Porzellan standen ungeordnet in Massen auf den Tischen und am Boden. So war der Traum des großen Königs von dem großartigen Porzellanpalast zerflossen, in der einzigartigen Dresdner Porzellansammlung aber, die nicht ihresgleichen hat auf Erden, bewundern wir noch heute die großartigen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/133&oldid=- (Version vom 1.2.2023)