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Zur Seite stehen die Olympischen: Aphrodite und Paris, Pallas Athene und Artemis, Zeus und Hera, der Gott des Windes Aiolos, Iris, Hebe, Chloris und zwischen ihnen allerlei geschäftige Putten. Auf dem mächtigen mittleren Giebelaufbau, das Mansardendach noch überragend, Atlas, der mit mächtiger Anstrengung die auf den Schultern lastende Weltkugel trägt. Nicht möglich ist es, die zahlreichen geistvollen Einzelheiten aufzuzählen, mit denen Pöppelmann seine Architektur belebt und bereichert hat. Je mehr man schaut, um so mehr entdeckt man neue Motive und um so bewundernswürdiger erscheint seine Kunst, dies alles zum Organismus, in freiester Weise zur geschlossenen Einheit zu verbinden. Welch ein Reichtum der Phantasie, welch eine Fülle der Erfindung und welch eine Kraft, diesen Überschwang einer naturalistischen, bald graziösen, bald grotesken Schmuckplastik in den Bann der Architektur zu zwingen, damit Raumschönheit und Zweckgestaltung sicher zu vereinen! Fast könnte man sagen: Innendekoration ist hier mit Geist und Geschmack zur Außenarchitektur verwandelt und in Stein gebannt. Der Zweck des Bauwerks rechtfertigt das kühne Unternehmen, das vorher vielleicht einmal gedacht, aber niemals ausgeführt worden war, erhebt das scheinbar Stilwidrige zur Höhe des Stilistischen. So steht der Zwinger nicht nur in seiner Zeit ganz einzigartig in Deutschland, ja in Europa da. Niemals weder vorher noch nachher wurde der malerische Stil dekorativer Plastik mit soviel Anmut und Geschmack in den Dienst der Architektur genommen.

PORZELLAN.

Aus dem einzigartigen Zweck des Zwingers ergibt sich von selbst, daß er nicht stilbildend sein konnte. Er selbst bedeutet einen Höhepunkt der Entwickelung für einen ganz bestimmten Zweck und in ganz persönlicher Ausprägung. Die Architektur Dresdens ging dann andere Wege, aber im Dresdner Porzellan, das ja damals im Dienste Augusts des Starken erfunden wurde, können wir zum Teil die Formensprache wiederfinden, die sich vor allem an den Wandbrunnen, an den Kaskaden und Grotten des Zwingers ausspricht. In ihren Formen finden wir die klassische Sprache des Porzellan, die unregelmäßigen, gebrochenen, verzogenen und verschobenen Umrisse des Ornaments der Rokokozeit, die der Technik und dem Werden des Porzellans im Feuer so gemäß sind.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/128&oldid=- (Version vom 26.1.2023)