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Alfred Kerr (Hrsg.): Pan (6. Juni 1912)

die Wangen. Er weiß, daß sein Gesicht jetzt zur Grimasse verzerrt ist, kann das aber nicht ändern; er hat einen Weinkrampf.

„Wer ist es denn gewesen, wenn nicht du, was?“

„Ich bin es jedenfalls nicht gewesen“. Er blickt durch den Tränennebel erstaunt nach ihr hin. Sie liegt im Bett, ein Buch ist auf den Teppich gefallen. Ihre Brust ist halb entblößt, und auf ihrem Gesichte, das er so liebt, sitzt ein höhnisches, kaltes und grausames Lachen. Sie sagt:

„Warum weinst Du denn? Mach’ lieber solche Schweinereien nicht!“

Wieder wird die Nachbartür geöffnet und Franz schließt sie wie zuvor. Das wiederholt sich sogar noch ein drittes Mal. Der Knabe hat einen Anfall und kann vor Weinen nicht sprechen. Er streckt die Hände nach ihr aus und rührt sich nicht vom Fleck. Da sagt sie, um der Szene ein Ende zu machen:

„Also du warst es nicht! Weine doch nicht so jämmerlich! Hörst du? du warst es nicht, jetzt mußt du schlafen gehen.“

Da begreift er, daß sie ihm nicht glauben will! Er geht sogleich hinaus, noch weinend, ohne ein Wort zu verlieren.

Er dreht seine Lampe aus und legt sich hin; die Müdigkeit überkommt ihn, und so groß sein Kummer noch vor einer Minute war, jetzt ist er vergangen. Er schluchzt leise vor sich hin, ohne es zu wissen; sein Gesicht ist ganz naß. Aber er hat noch Zeit, das Flackern der ausgehenden Petroleumlampe lustig zu finden, ehe er in einen tiefen Schlaf verfällt.

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Alfred Kerr (Hrsg.): Pan (6. Juni 1912). Hammer-Verlag G.m.b.H., Berlin 1912, Seite 832. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pan_(6._Juni_1912).djvu/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)