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Schöne in der Stadt über ein wohlgerathenes Gedicht ihres Anbeters freut, so freut sich das Mädchen auf dem Lande, wenn sie ihren Purschen den geladenen Heuwagen auf der Achsel aus dem Graben in den Weg hereinrükken sieht. Um solche Jünglinge beneidet ein ganzes Dorf das Mädchen, der er huldigt; und, wahrlich! diesen Geschmak – wer sollt’ ihn tadeln? Das Mädchen schäzt im Manne gerade das, was ihm das Uebergewicht über sie giebt, und was nach der Anordnung der Natur ihn vor ihr auszeichnet. Dieser Geschmak schüzt manche ländliche Unschuld vor den Nachstellungen unsrer gepuderten, parfümirten und ausgemergelten Herren aus der Stadt. „Herr, ich mag ihn nicht – heißt es wohl – er ist ein Zwerg!“ – Die Jünglinge auf den Dörfern aber suchen diese körperliche Kraft nicht bei ihren Schönen. Sie geben ihnen mit heisser Liebe die Hand, wenn sie gleich schwach und klein sind, – wenn sie sich nur munter und aufgeräumt zeigen, schalkhaft und muthwillig scherzen, ein frisches Roth auf den Wangen, schöne weisse Zähne und schwarze feurige Augen haben. Sind sie stark und groß dabei, desto besser. Dann heißt es noch oben drein: Thrine ist ein rechter Arm voll!

Die Liebschaften unter dem Landvolke werden

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)