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bei seinen Heirathstägen genau so, wie auf dem Viehmarkt, oder auf dem Kornspeicher, und eine Kleinigkeit, die bei einer so weitgreifenden Unternehmung gar keine Beherzigung verdient, zerschläqt oft den ganzen Handel. Da werden also die Ehen nur nach ökonomischen Rüksichten geschlossen, und die Liebe – bei einem etwas feinern und empfindsamern Sinn der Jugend – wohl gar mit dem Ochsenstekken oder mit dem Jochriemen aufgewekt. Sie werden wo nicht mit Haß, doch mit Kälte und Gleichgültigkeit begonnen, und mit ewigem Zank und Hader fortgesezt.

Würde das Landvolk noch um einen, eben nicht sehr beträchtlichen Grad verfeinert und ausgebildet, so, daß man ihm mehr Sinn für Vorzüge des Geistes und Herzens gäbe, und die rauhen Ekken seines Charakters abschliefe, ohne es vom Wege der Natur abzuleiten, so würd’ es erst das Glük reiner, keuscher Liebe, in seinem ganzen Umfang geniessen, und weit seltener besiegt werden, von der Macht der Sinnlichkeit. Denn nur gute Menschen sind für die volle Freude der Liebe empfänglich, und für sie daurt diese Freude immer fort, ohne je den traurigen Wunsch zu weken: ach! hätt’ ich nie geliebt. –

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/26&oldid=- (Version vom 30.7.2018)