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dem bisher Ausgeführten ist Keims (Geschichte Jesu I 621ff. III 484ff.) Versuch abzuweisen, Johannes’ Hinrichtung ins J. 34 n. Chr. anzusetzen, da er zum Teil basiert ist auf der falschen Voraussetzung, daß die Verstoßung der arabischen Gemahlin des Herodes Antipas, dessen Heirat mit Herodias und der Krieg mit Aretas zeitlich eng zusammengehörende Ereignisse seien. Aber auch die andere Voraussetzung Keims, daß das Volk die Niederlage des Tetrarchen im Araberkriege als göttliche Strafe nur dann mit der Hinrichtung des Täufers habe in Verbindung bringen können (so Joseph. ant. Iud. XVIII 116), wenn die beiden Vorgänge möglichst nahe aufeinander gefolgt seien, hat nichts Zwingendes; denn derartige kausale Verknüpfungen pflegen auch zwischen zeitlich weiter entfernt liegenden Ereignissen von der Mit- und Nachwelt hergestellt zu werden (s. Schürer I³ 444; übrigens handelt es sich hier garnicht um ein allgemeines Volksurteil, sondern nur τινὲς τῶν Ἰουδαίων haben so geurteilt, was der Auffassung Keims noch mehr jede Grundlage entzieht). Johannes’ Auftreten wird nun von den Synoptikern nicht nur in die Zeit der Ehe des Herodes Antipas mit der Herodias verlegt, sondern sein ganzes Geschick ist nach ihnen mit dieser Heirat so eng verknüpft (Matth. XIV 3ff. Marc. VI 17ff. Luk. III 19f.), daß man, mag man auch gegen das Einzelne ihres Berichtes skeptisch sein, den zeitlichen Ansatz für den Täufer unbedingt für die Datierung der Ehe verwerten darf und für diese somit als weiteren terminus ante quem das Ende der 20er Jahre erhält. Man darf jedoch nicht, wie dies zumeist geschieht, auch den Abschluß der Ehe gerade in diese Zeit setzen, weil Johannes nach der evangelischen Tradition die blutschänderische Ehe des Tetrarchen scharf getadelt habe. Denn Johannes [190] kann in seinen Bußpredigten ein solches das Volk natürlich sehr erregendes Verhalten seines Fürsten sehr wohl auch noch lange nach der Verheiratung zur Sprache gebracht haben, zumal das Faktum noch allen vor Augen stand, und gegen die allgemeine Auffassung spricht auch entscheidend ein bisher noch nicht für die Chronologie gewertetes Moment in der Erzählung des Josephus über die Eheirrung, nämlich die Angabe, daß sie in die Zeit einer Romreise des Herodes Antipas falle.

Diese Reise, die den Zweck hatte, wichtige Angelegenheiten in der Hauptstadt zu erledigen – das Nähere wird uns leider von Joseph. ant. Iud. XVIII 111 nicht angegeben – kann nur in der Zeit bis 26 n. Chr., dem Jahre, in dem Tiberius für immer die Hauptstadt verlassen hat, erfolgt sein. Denn daß der Tetrarch Italien, aber nicht seinen Gönner Tiberius aufgesucht, sondern diesen geschnitten hätte, erscheint mir ausgeschlossen. Vielleicht darf man nun diese Reise und damit den Eheskandal sogar in den Anfang der Regierung des Kaisers setzen. Grätz a. a. O. ist hierfür schon eingetreten im Anschluß an die Darstellung des Josephus ant. Iud. XVIII 136 in seiner Genealogie der Herodeer, in der die zweite Heirat der Herodias, d. h. die mit Herodes Antipas, an ihre erste durch die Worte angeschlossen wird: ‚καὶ αὐτοῖς (sc. Herodias und Herodes, ihr erster Gemahl) Σαλώμη γίνεται, μεθ' ἧς τὰς γονὰς Ἡρωδιάς... γαμεῖται‘ den Herodes Antipas. In der Formel ‚μεθ' ἧς τὰς γονὰς‘ eine reine mechanische Übergangsformel zu sehen (hierfür spricht sich Brann a. a. O. 352ff. aus) scheint mir in Anbetracht der Stelle, wo sie sich befindet, der knappgefaßten, aber auch mit einigen wenigen sachlichen Angaben versehenen Genealogie ungehörig; Josephus muß vielmehr eine bestimmte Absicht mit ihr verbunden haben, und so bleibt denn wohl keine andere Erklärung, als daß bald nach der Geburt der Tochter – der Ehebruch der Herodias wird dadurch noch verschlimmert – die zweite Heirat der Herodias erfolgt sei.

Für die Zeit der Geburt der Salome liegen allerdings keine ganz sicheren Anhaltspunkte vor. Die bisherigen Ansätze 10 n.Chr. (Keim 47 und v. Gutschmid a. a. O. 319) oder z. B. auch schon 2 n. Chr. (Brann a. a. O. 359, 1) beruhen auf unsicheren Schätzungen des Geburtsjahres ihrer Mutter (s. S. 203), und der einzige vorhandene Anhaltspunkt ist nur mit Vorsicht zu verwenden. Denn die Erzählung bei Marc. VI 21ff., die von Matth. XIV 6ff. übernommen worden ist, von dem Tanz der Salome als κοράσιον bei der Geburtstagsfeier ihres Stiefvaters, für welchen sie auf Betreiben der Herodias als Lohn das Haupt Johannes des Täufers von dem Tetrarchen verlangt und auch – freilich nur ungern – erhält, unterliegt vielen Bedenken. Sie bietet eine Reihe einzelner falscher Angaben, die erst von Matthäus berichtigt werden[1], aber auch der ganze Inhalt hat so stark novellenartigen


  1. *) S. z. B. Brann a. a. O. 348ff. Auch Dibelius a. a. O. 77ff. hat sich mit Recht für die Priorität des Berichtes des Markus ausgesprochen. Einen besonders anschaulichen Parallelbericht bietet ein koptisches Evangelienfragment bei Revillout a. a. O. 449ff.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/115&oldid=- (Version vom 11.6.2023)