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wegen seines tyrannischen Regiments, sondern vor allem wegen nicht korrekter Erfüllung seiner Vasallenpflichten – sogar eine schwere Verfehlung erscheint nicht ausgeschlossen – von Rom die Anklage gegen ihn erhoben worden ist; er ist dorthin nebst seinen Brüdern zitiert worden (s. S. 178ff.). Man könnte übrigens zur Stütze dieser Annahme immerhin auch auf seine Münzen verweisen und sie als Zeichen seiner geringen Ergebenheit gegen Rom, eines gewissen Selbstbewußtseins, verwerten, da auf ihnen, anders wie auf denen seiner Brüder, nur sein eigener Name und niemals der Name des Kaisers oder wenigstens, wie auf den ersten Münzen des Antipas, eine auf den Kaiser hinweisende Bezeichnung (bei Antipas: Tiberias) erscheint (die Nichtanbringung des Kaiserbildes ist dagegen einfach als Ausfluß der Befolgung des jüdischen Gesetzes zu fassen, obwohl Philippos dem Kaiser zuliebe auch hiergegen verstoßen hat, allerdings nicht bei Münzen, die im jüdischen Kernland Judäa kursierten, Madden Coins of the Jews 123ff.). Archelaos folgt in seiner Münzprägung ganz dem Brauche des Vaters; es ist aber hierbei zu beachten, daß seitdem der Prinzipat weiter eingewurzelt war, und daß seine, des Duodezfürsten, allgemeine Stellung eine ganz andere war als die seines königlichen Vorgängers. Aber auch darauf kann man hinweisen, daß auch sonst von seiner Seite anders, als von seinem Vater und von seinen Brüdern, nichts erfolgt zu sein scheint, was nach außen seine Ergebenheit gegen den Kaiser hätte dokumentieren können; so ist die von ihm gegründete Ortschaft nach ihm, nicht nach Mitgliedern des Kaiserhauses benannt worden (anders handelt z. B. sein Bruder Philippos, der in derselben Zeit, und zwar unbedingt noch vor dem J. 2 v. Chr., dem Verbannungsjahre der Kaisertochter Iulia, zum mindesten eine Stadt Iulias, benannt nach der Tochter des Kaisers, gegründet hat, Joseph. bell. Iud. II 168; ant. Iud. XVIII 28; ähnlich Herodes Antipas, s. S. 181f.). Ob etwa auf seine Gesinnung gegen Augustus dessen seine Hoffnungen nur teilweise erfüllende Entscheidung vom J. 4 v. Chr. verstimmend und so für ihn verhängnisvoll werdend eingewirkt hat, das können wir uns leider nur fragen, aber nicht entscheiden.

Anders als seine Brüder hat sich Herodes Archelaos vor dem Kaiser nicht gegen die erhobene Anklage rechtfertigen können. Er ist zudem von diesen im Stich gelassen worden und scheint auch von seiner alten Gegnerin Salome in Rom angeschwärzt worden zu sein; denn das Geschenk der von Archelaos gegründeten Ortschaft Archelais an sie (Joseph. ant. Iud. XVIII 31) kann sehr wohl als kaiserlicher Dank für ihre Mitwirkung bei der Anklage des Neffen gedeutet werden (s. übrigens auch Joseph. ant. Iud. XVII 344: τινὲς κατήγοροι). Archelaos ist damals nicht [174] nur seiner Herrscherstellung entsetzt worden, sondern hat auch seinen gesamten Privatbesitz verloren. Das Gebiet des Ethnarchen wurde eingezogen und prokuratorische Provinz (Joseph. bell. Iud. II 111. 117. 167; ant. Iud. XVII 344. 355 [staatsrechtlich ist hier bemerkenswert die Unterscheidung zwischen dem der Provinz Syrien beigefügten Herrschaftsgebiet des Archelaos und seinem οἶκος, vgl. S. 72 *[WS 1] und S. 92]; XVIII 2f. 26). Archelaos wurde verbannt, und als Aufenthaltsort wurde ihm die Hauptstadt der Allobroger, Vienna, angewiesen. Hier ist er auch, und zwar wohl noch vor 18 n. Chr., gestorben (Strab. XVI 765: ἐν φυγῇ διετέλει. Die Stelle zeigt, daß Archelaos bei ihrer Niederschrift bereits tot war; über die Abfassungszeit von Strabons Geographika s. Christ-Schmid Griech. Literaturgesch. II 1⁵, 316). Wenn das später bei Bethlehem gezeigte Grab wirklich das des Archelaos gewesen ist, so muß man annehmen, daß sein Leichnam in die Heimat geschafft und dort beigesetzt worden ist (so scheint sich mir die Stelle des Hieronymus, Onomast. p. 101 ed. Lagarde mit Strabon auszugleichen). Kinder hat er allem Anschein nach nicht hinterlassen.

Ein abschließendes Urteil über die Persönlichkeit des Archelaos ist nicht ganz einfach. Ausschweifend, sinnlich und grausam ist er unbedingt gewesen, darin der echte Sohn seines Vaters, obwohl wir nicht wissen, inwieweit seine Grausamkeit durch das Verhalten seiner Untertanen erst hervorgerufen worden ist (man beachte sein Handeln nach dem Tode seines Vaters). Aber ob man in ihm nur den rohen Tyrannen, wie es zumeist geschieht (nur Grätz III 1⁵ 252f. entschuldigt ihn), zu sehen hat, ist doch zweifelhaft, zumal wenn man die schwierige Lage berücksichtigt, in der er sich als Sohn Herodes’ I. und infolge des großen, so blutig niedergeworfenen Aufstandes seinen Untertanen gegenüber befunden hat. Es ist sehr wohl möglich, daß er sich auch große politische Ziele gesteckt hat, die ihn dann freilich von der unbedingt romfreundlichen Politik seines Vaters abgeführt hätten, und an denen er schließlich gescheitert wäre. Die zu größeren Plänen nötige Energie und Tatkraft scheint er immerhin besessen zu haben (s. das Vorgehen des Antipatros und später der Salomegruppe gerade gegen ihn). Mommsen R. G. V 509 dürfte ihm mit seiner Charakteristik ‚unwürdig und unfähig‘ doch nicht ganz gerecht werden.

Neuere Literatur: Ewald Gesch. d. Volk. Israel IV³ 585ff. Hausrath Neutest. Zeitgesch. II 284ff. Hitzig Gesch. d. Volk. Israel II 559ff. Grätz Gesch. d. Jud. III 1⁵ 246ff. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I³ 418ff. 449ff. Wellhausen Israel. u. jüd. Gesch.⁶ 339ff. Keim s. Archelaos in Schenkels Bibellexik. III 38ff. Brann De Herodis, qui dicitur magni filiis patrem in imperio secutis I, Bresl. Diss. 1873, 13ff. und Monatsschr. f. Gesch. u. Wissensch. d. Judent. XXII 241ff.; Prosop. imp. Rom. I 127 nr. 832; Encyclop. biblic. II 2031f. s. Archelaos.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. S. 72 * = Anmerkung Seite 72 Zeile 13
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 173–174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/107&oldid=- (Version vom 3.1.2019)