wir sehen, auch ihm nicht zugestanden. (Für diese Auffassung sind von grundlegender Bedeutung die Ausführungen bell. Iud. I 458ff.; ant. Iud. XVI 633ff. Demgegenüber und gegenüber den sonstigen Stellen über die Verleihung der ‚τιμαὶ βασιλέως‘ [s. S. 111] können sich die Bemerkungen bell. I 503. 623 über den Anteil der Mariammesöhne an der βασιλεία auch nur auf die äußere Stellung, nicht auf das Regiment beziehen. Für Antipatros ergibt sich größter Einfluß auf die Herrschaft, aber auch nicht mehr aus Stellen wie ant. Iud. XVII 3 ‚συνῆρχεν τῷ πατρὶ οὐδὲν ἄλλο ἢ ὡς βασιλεὺς ὢν‘ und XVII 115 ,κοινωνὸς τῆς βασιλείας ὢν τοῖς ἔργοις‘. Eine Stelle wie ant. Iud. XVII 96 [bell. Iud. I 625 ist die Parallelversion] hat man mit ant. Iud. XVI 191 zusammenzuhalten; Antipatros wird durch sie als der nicht nur infolge seiner Ehrenvorrechte erste Mann im Reiche nach dem König gekennzeichnet. S. auch bell. Iud. I 561. Wer etwa aus bell. Iud. I 631. 632 offiziellen Anteil des Antipatros am Regiment folgern wollte, dem würde die Parallelstelle ant. Iud. XVII 102 widersprechen).
Die hier geschilderte Allmacht des Königtums, bei der ebenso wie bei dem von ihm geleiteten Staate der Hellenismus Pate gestanden hat, eine Allmacht die keine spezifisch jüdischen Züge aufweist, sondern vielmehr einen rein weltlichen Charakter trägt, steht im schreiendsten Gegensatz zu der jüdischen Theokratie und jener Auffassung der menschlichen Herrschaft, die sich bei ihren fanatischen Vertretern allmählich herausgebildet hatte. So hatte es schon in den Zeiten des Propheten Hosea eine starke Strömung unter den Juden gegeben, welche jedes menschliche Königtum prinzipiell verwarfen (s. die Kaisergeburtstagsrede von Cornill Das alte Testament und das Königtum, Schlesisch. Zeitung 1910 Nr. 73 u. 76). Die [RE:120] deuteronomistische Gesetzgebung hat dann zwar das Königtum nicht grundsätzlich abgelehnt, aber sie hat bereits die von dem Propheten Ezechiel in seinem Programm über die Zukunft Israels ausgesprochene Auffassung vorbereitet: der weltliche Arm müsse dem geistlichen dienen. In der nachexilischen Zeit, wo als Folge der Fremdherrschaft die jüdische Nation gegenüber der jüdischen Religionsgemeinschaft zurücktritt, ist schließlich der Gedanke an einen weltlichen König ganz in den Hintergrund gedrängt worden; an seine Stelle ist als der für eine vollentwickelte Theokratie von Haus aus gegebene Herrscher der Hohepriester getreten, der nun auch das weltliche Oberhaupt geworden ist: der jüdische Kirchenstaat ist begründet worden. Unter dem Hohenpriestertum der Hasmonäer hat sich allerdings dieser Staat und sein Herrscher gewandelt; an Stelle des ‚Papstes‘ ist ein König getreten, der zugleich Hoherpriester gewesen ist. Gegen diese Wandlung hat sich jedoch im jüdischen Volke sofort die schärfste Opposition erhoben; die Pharisäer, die das Volk allmählich ganz für ihre Ideen gewonnen hatten, haben selbst vor dem Landesverrat nicht zurückgeschreckt, um dieses neue Reich von weltlichem Gepräge zu Fall zu bringen, um die Theokratie mit dem Hohenpriester als Vertreter Gottes auf Erden wieder zu errichten. Sie haben schließlich für die römische Fremdherrschaft direkt gewirkt und Rom als Oberherrn – anfangs sogar gern – [124] auf sich genommen, da sie nur so ihr Ziel erreichen konnten (s. hierzu Wellhausen Pharis. u. Sadduc. 92 und meinen Art. Hasmonäer in Pauly-Wissowas Realencykl. Bd. VII S. 2497ff.). Daß bei derartigen Auffassungen des jüdischen Volkes schon die Form des herodianischen Regiments den größten Abscheu hervorrufen, daß sein Träger – und wäre er der beste Herrscher gewesen – als der Gegner des Volkes erscheinen mußte, ist selbstverständlich. Schien doch die alte Theokratie für immer verloren zu sein. Nun maßte sich aber dieser rein weltliche Herrscher sogar noch die Herrschaft über die Kirche an; der geistliche Arm sollte von jetzt an dem weltlichen dienen.
Und ferner: es war kein Jude, kein Angehöriger der eigenen Nation, der diese Herrschaft dem Volke aufzwang, sondern zum erstenmal, seitdem es ein jüdisches Volk gab, trug ein Stammesfremder, ein Idumäer, die jüdische Krone (dies hebt auch schon richtig Eusebius hist. eccl. I 6, 1 hervor; s. ferner die Vorwürfe, die in ant. Iud. XIV 403 die Anhänger des Antigonos gegen H. gerade wegen seiner idumäischen Abstammung erheben. Die verschiedenen abfälligen Bemerkungen über die Herkunft der Herodeer (s. S. 2) dürften wohl auch – wenigstens zu einem Teil – durch die idumäische Abkunft bedingt sein).
Anstößig muß schließlich der Masse des Volkes – weniger den Pharisäern – auch die enge Verbindung der neuen Herrschaft mit Rom erschienen sein, daß ihr König von diesem geschaffen und von dessen Gnade ganz abhängig ward. Gerade durch die hasmonäische Periode war ja nach Jahrhunderte lang ruhig ertragener Fremdherrschaft das nationale, staatliche Bewußtsein bei dem Volke wieder erwacht und anders als bei den Pharisäern durch das religiöse Moment nicht wieder ganz zurückgedrängt [RE:121] worden. Das rücksichtslose Schalten Roms mit dem jüdischen Vasallenstaat seit dem Anrufen des Pompeius muß nun die neue Fremdherrschaft besonders unangenehm fühlbar gemacht haben. Die Abneigung gegen diese in herodeischer Zeit zeigt uns ebensowohl der Kampf des Antigonos, der doch nicht allein ein Kampf um die Herrschaft über die Juden ist, sondern sich auch gegen die Herrenstellung Roms richtet, wie auch das Aufkommen der starken Partei des Galiläers Juda, welche die jüdische Unabhängigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hatte und mit der H. ernstlich zu rechnen hatte (ant. Iud. XVIII 23; vgl. XVII 271). Freilich, man soll andererseits diese Abneigung sich nicht zu stark und zu allgemein vorstellen. Unter der Regierung des H. hat sich, seitdem Augustus das Regiment führte, kein sonderlicher Druck Roms fühlbar gemacht, vielmehr hatten die Juden allerlei Vorteile von diesem erlangt; ein Mann wie Agrippa hat durch sein Verhalten während seiner Anwesenheit im Lande das Volk sogar für sich zu gewinnen verstanden (s. S. 75). Die Abneigung gegen die Herodeer ist denn auch nach dem Tode des Königs viel größer gewesen als die gegen Rom; hat man doch damals von diesem sogar die direkte Unterordnung unter sein Regiment erbeten (s. S. 168). Die Pharisäer mit ihrer politischen Gleichgültigkeit mögen vor allem dieses Vorgehen bewirkt haben,
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/082&oldid=- (Version vom 1.8.2018)