Errichtung des Marmordenkmals, das auch Nikolaos erwähnt hat (Joseph. ant. Iud. XVI 183): H. hat wohl hierdurch dem jüdischen Nationalgefühl schmeicheln wollen; es war eine seiner Handlungen, die das Volk für ihn gewinnen sollten. Dieses hat aber an keine uneigennützige Handlung seines Herrschers glauben können und hat daher in der Errichtung des Denkmals nur den Versuch der Sühnung einer königlichen Untat gesehen. Der Platz des Monuments, so wie die Hyrkanoserzählung haben dann zur Bildung der obigen Legende [RE:98] geführt. Endlich sei hier auch an das sofort nach dem Tode des Pheroras im Volke aufgekommene Gerücht, H. habe seinen Bruder vergiftet, erinnert (bell. Iud. I 581).
Wenn demgegenüber bei Josephus an anderen Stellen von einem Schwanken in der Volksstimmung, sogar von gelegentlicher voller Aussöhnung mit der herodianischen Herrschaft die Rede ist, so hat man hierin Übertreibungen der dem Könige günstigen Tradition (Nikolaos) zu sehen, welche schwache Ansätze zu der gewünschten Besserung des Verhältnisses als die Erfüllung des Wunsches hingestellt hat[1]. Das Gefühl, das den König beherrscht haben soll, sein Volk hasse und verachte ihn und freue sich über sein Unglück (ant. Iud. XVI 155. XVII 148), hat ihn nicht betrogen. S. auch noch als recht lehrreich für die Volksstimmung ant. Iud. XV 8. 286. 304. XVI 4f.
Man darf auch selbstverständlich nicht die Pharisäer als dem herodianischen Regiment wenigstens nicht abgeneigt hinstellen (hierzu neigte Wellhausen Pharis. u. Sadduc. 105ff.; s. jedoch jetzt Israel. u. jüdisch. Geschichte⁶ 330). Eine solche Stimmung mag ja zu Beginn der Regierung in ihren Kreisen geherrscht haben (s. S. 33 und 37f.), da der neue König der Gegner ihrer Gegner, der Sadducäer, war; sie hat sich aber unbedingt sehr schnell verflüchtigen müssen, weil ja gerade sie als die Vertreter der strengsten jüdischen Richtung die Träger einer den Grundsätzen der herodianischen Herrschaft unvereinbar [102] entgegenstehenden Weltanschauung waren. Ihre Verweigerung des Treueides in den letzten Jahren des Königs (s. S. 64*) zeigt uns denn auch deutlich, daß sie dessen weltliche Herrschaft nicht offen anerkennen wollten (Wellhausen Pharis. u. Sadduc. 108 stellt zu Unrecht die Eidesverweigerung der Pharisäer mit der der Essener auf eine Stufe, da von diesen anders als von den Pharisäern jeder Eid aufs strengste verworfen wurde, Schürer II⁴ 662); sie haben dementsprechend auch den baldigen Sturz des Königs und seines Hauses geweissagt, in Erwartung der baldigen [RE:99] Erscheinung des erlösenden Messias (ant. Iud. XVII 43–45, von Wellhausen Pharis.u. Sadduc. 24ff. richtig gedeutet. Die gewisse Unklarheit bei Josephus rührt offenbar, abgesehen von der Unklarheit, die der pharisäischen Weissagung wie allen Weissagungen an und für sich angehaftet haben wird, daher, daß seine Quelle, Nikolaos, die messianischen Weissagungen nicht recht verstanden hat). Ihre Charakteristik bei Joseph. ant. Iud. XVII 41, sie hätten sich zwar vorsichtig zurückgehalten, der König habe aber bei ihnen auf πολεμεῖν und βλάττειν gefaßt sein müssen, wird wohl das Richtige treffen; tatsächlich ist ja auch der Putsch kurz vor dem Tode des Königs von ihnen inszeniert worden (s. S. 147).
H. hat übrigens lange gehofft, gerade die Pharisäer für sich zu gewinnen. Da sie zu seiner Zeit bereits mehr als 6000 Mitglieder zählten (ant. Iud. XVII 42), stellten sie eine mächtige Körperschaft innerhalb des jüdischen Volkes dar, und ihre Gewinnung erschien um so wichtiger, als eine Einigung mit ihren Gegenspielern, den Sadducäern, für ihn ausgeschlossen erschien. (Wendland Die hellen.-röm. Kultur² 189 scheint mir sehr zu irren, wenn er behauptet, auch H. hätte den jüdischen priesterlichen Adel hinter sich gehabt; vgl. dagegen auch Derenbourg a. a. O. 159). So sind die pharisäischen Führer von ihm besonders geehrt worden (ant. Iud. XV 3. 370. Über die Namen s. S. 33 * und S. 38. Es ist jedoch nicht berechtigt, in den damaligen pharisäischen Führern, den Schulhäuptern, oder gar in dem Essener Menahem die Synedrialpräsidenten zu sehen, die dieses Amt mit Zustimmung des Königs erlangt hätten; gegenüber Grätz III 1⁵ 206ff. s. Schürer II⁴ 254ff.). Als sie und ihre ganze Fraktion später den Treueid zu leisten sich weigerten, da hat H. sie, anders wie die große Menge der Pharisäer, gar nicht bestraft, und diese auch nur mit einer Geldstrafe belegt (die anderen Eidesverweigerer wurden getötet, ant. Iud. XV 369; er mochte wohl religiöse Bedenken gelten lassen. So wird man wohl ant. Iud. XV 370 mit XVII 42 ausgleichen dürfen). H. hat hier eben so lange geschont, als es nur irgend möglich war. Auch die Sekte der Essener soll er begünstigt und geschont haben (ant. Iud. XV 378); so hat er auch sie, da ihre religiösen Grundsätze es ihnen verboten, von der Leistung des Treueides entbunden (ant. Iud. XV 371).
Diese Handlungsweise des Königs bei der Eidesleistung ist um so bemerkenswerter, als sie in seine letzten Regierungsjahre fällt; sie zeigt uns, daß H. bis in sein hohes Alter immer wieder versucht hat, sein Volk oder wenigstens dessen wichtigste Gruppen für sich günstig zu stimmen. Daß solche Versuche nicht nur, wie wohl allgemein angenommen
- ↑ Vgl. ant. Iud. XV 308. 315f. mit 365; an beiden Stellen wird die Stimmung des Volkes nach dem Eingreifen des Königs während der großen Hungersnot geschildert, und es ist kein Grund vorhanden, der zweiten, welche die trotz allem vorhandene Unzufriedenheit hervorhebt, den Glauben zu versagen, da hier der über das jüdische Volk besonders gut orientierte jüdische Anonymus vorliegt. S. ferner bell. Iud. I 213 und demgegenüber § 215 (s. S. 21). Auch ant. Iud. XVI 65 wird darnach als Übertreibung zu fassen sein. Die Steinigung der sog. Mitschuldigen der Mariammesöhne nach dem Gericht von Berytos, durch das Volk (ant. Iud. XVI 393), sowie das ähnliche Verhalten des Volkes von Jericho kurz vorher (ant. Iud. XVI 320), darf man kaum zur Illustration des Verhältnisses der Juden zu H. verwerten, da es sich hier wohl um Taten des Pöbels handelt, der zu Gewalttaten immer bereit ist. Zudem hat sich der erstgenannte Fall in Kaisareia abgespielt, dessen Bevölkerung doch wohl von Anfang an einen stark unjüdischen Charakter besessen haben dürfte, s. bell. Iud. III 409; immerhin soll es im J. 66 n. Chr. auch an 20 000 Juden in der Stadt gegeben haben (bell. Iud. II 457).
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/071&oldid=- (Version vom 1.8.2018)