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auch für den Kaiser verlangt, und H. hat in die übliche Formel nur seine Person mit eingeschoben (vgl. ant. Iud. XVII 42 ‚εὐνοήσειν Καίσαρι καὶ τοῖς βασιλέως πράγμασιν‘ mit dem Paphlagoniereid Z. 9 ,εὐνοήσειν Καίσαρι Σεβαστῷ‘. [RE:96] Es scheint mir auch beachtenswert, daß H. nicht als Person wie der Kaiser genannt wird, sondern nur τὰ βασιλέως πράγματα; er rückt auch dadurch gewissermaßen an die zweite Stelle). Aber auch selbst wenn H. von sich aus zur Einführung des Treueides geschritten sein sollte und den Kaiser nur in diesen aufgenommen hätte, so würde er nicht etwas ganz besonders Neues geschaffen, sondern nur einen üblichen Brauch des hellenistischen Staatsrechts wie so manches andere aus diesem (s. vor allem S. 110ff.) auch für sich angenommen haben. Immerhin wäre dann die eidliche Verpflichtung, da sie für das jüdische Volk anscheinend etwas ganz Ungewohntes darstellte, als ein geschickter Schachzug seiner inneren Politik zu werten.

Und sehr willkommen wird sie ihm jedenfalls gewesen sein, wenn er auch bei ihr nur einem Wunsche Roms gefolgt sein sollte (sie ist denn auch nach dem Tode des H. von Archelaos beibehalten worden, s. bell. Iud. I 670, wo nicht nur das Heer, sondern auch das Volk diesem die εὔνοια gelobt; ant. Iud. XVII 195 fehlt dieser letztere Zug). Denn die Sorge um die Sicherheit seiner Herrschaft im Innern hat H. niemals während seiner ganzen Regierung aus dem Auge lassen dürfen. Nur so erklärt es sich, daß es seit 33 v. Chr. zu großen Aufstanden gegen ihn nicht mehr gekommen ist – der Aufstand, der nach Aktium in der Luft lag, konnte noch verhütet werden –, und daß die letzte für H. gefährliche Verschwörung, die des Kostobar, ins J. 28/7 v. Chr. fällt. Die andere uns noch bekannte Verschwörung, welche wohl nicht zu lange nachher, vielleicht noch ins J. 27 v. Chr., anzusetzen ist, hat weitere Volkskreise und hohe Reichsbeamte nicht umfaßt. Es hatten sich bei ihr nur zehn besonders fanatische Juden zur Ermordung des Königs zusammengetan; ihr Plan ist jedoch vorzeitig verraten, und sie sind sofort hingerichtet worden[1]. Von dieser Zeit an hat, bis etwa um 14 v. Chr. die Familienzwistigkeiten einsetzen, vollständige Ruhe im Reiche geherrscht, aber auch in der Folgezeit hat wenigstens das jüdische Volk, abgesehen von dem Putsch kurz vor dem Tode des Königs, sich ganz ruhig verhalten. H. hat es sogar wagen dürfen vor allem anläßlich der Fahrt mit Agrippa, bei der er viel länger, als nötig war, wegblieb, aber auch während seiner Romreisen (s. S. 75 und S. 135) sein Land auf längere Zeit zu verlassen. [100]

Diese Ruhe ist allerdings als kein Zeichen der Ergebenheit des Volkes an das herodianische Regiment zu fassen; denn dieses, das seit Beginn der politischen Laufbahn des Königs gegen ihn war (s. S. 21 und vgl. die Angaben Strabons über die Abneigung der Juden gegen H. im J. 37 v. Chr., ant. Iud. XV 8ff.), hat sich auch im Laufe der Jahre nicht an ihn gewöhnen oder sich gar mit ihm zufrieden geben können: die Juden sind vielmehr ständig seine erbitterten Gegner geblieben, und [RE:97] sogar wohl immer erbitterter geworden, haben sich eben nur zähneknirschend gefügt. Es liegt auch kein Anlaß zu der Annahme vor, daß sich nur bestimmte Schichten des Volkes in dem ständigen, wenn auch latenten Kriegszustande mit ihrem Herrscher befunden haben, und daß die große Menge der Untertanen gar nicht so unzufrieden gewesen sei. Welcher riesige Haß sich bei den Juden gegen ihren König aufgespeichert hat, das zeigt vor allem ihre flammende Anklagerede gegen ihn vor Augustus nach seinem Tode (bell. Iud. II 84–90; ant. Iud. XVII 304–343), sowie das Bild, das die rabbinische Literatur von ihm entworfen hat, wo er als der Sklave der Hasmonäer, als Mörder und Gottloser gekennzeichnet wird, dessen Todestag zum jüdischen Festtag geworden ist (Derenbourg 146ff. de Saulcy 238. 372). Dies zeigt uns aber auch das Neue Testament sehr deutlich, in dem doch ganz andere Volksschichten als in der pharisäisch orientierten rabbinischen Literatur zur Sprache kommen; wenn auch das Neue Testament H. als den Typus des blutdürstigen Tyrannen hinstellt (Matth. II 1ff. Vgl. auch wohl Joh. X 8), so hat diese Schilderung mit persönlichen Erfahrungen der Christen nichts zu tun, sondern sie ist zurückzuführen auf das in der jüdischen Nation lebende Bild des Königs und von den Christen nur in ihrem Sinne verwertet worden (s. hierzu auch S. 142**). Auch diejenigen Ausführungen des Josephus, in denen der jüdische Anonymus noch unverfälscht vorliegt, bezeugen uns ebenso wie der Verfasser der assumptio Mosis eine stetig andauernde erbitterte Mißstimmung und Unzufriedenheit mit dem Herrscher, die sich nur nicht offen hervorgewagt hat (ant. Iud. XV 267–291. 365. 369).

Wie bezeichnend für das Mißtrauen der Juden ist doch ihr Verhalten, als H. ihnen den Plan des Tempelneubaus bekannt gibt! Nicht Freude, sondern nur Bestürzung ergreift sie, da sie diesem Herrscher eine solche Handlung nicht zutrauen (ant. Iud. XV 388f.). Sehr kennzeichnend hierfür erscheint mir aber auch die bei Joseph. ant. Iud. XVI 179–187 (vgl. VII 394) sich findende jüdische Legende, H. habe aus Geldmangel nach Schätzen im Grabe Davids gesucht; die hierdurch verletzte Gottheit habe dabei zwei seiner Leibwächter durch eine aus dem Grabinnern hervorbrechende Flamme getötet, und H. habe darob zur Sühne ein weißes Marmordenkmal bei dem Grabe errichtet. Die ganze Erzählung hat schon an und für sich einen wenig glaubhaften Charakter. Sie wird noch unglaubhafter, da die Beraubung des Davidgrabes auch Johannes Hyrkanos zugeschrieben wird (ant. Iud. VII 393. XIII 249); wir haben es hier offenbar mit einer Dublette zu tun. Entstanden dürfte die Legende sein infolge der


  1. Ant. Iud. XV 280–289. Da hier ein sachlich geordneter Abschnitt vorliegt, ist die Chronologie nicht ganz sicher, aber infolge der Einordnung dieser Verschwörung zwischen die Kostobarverschwörung und die Einführung der Spiele in Jerusalem einer- und der Begründung von Sebaste andererseits doch sehr wahrscheinlich; (auch sachlich ist sie mit der Einführung der Spiele verknüpft); s. S. 67*) und S. 80 Anm.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/070&oldid=- (Version vom 11.5.2020)