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[RE:62] dieser Zeit erst eintrat, hängt wohl nicht mit innerjüdischen Verhältnissen zusammen, sondern mit der fortschreitenden Entwicklung des neuen monarchischen Regiments in Rom, in unserem Falle eben mit der Einführung des Treueides für den Kaiser (über diesen Schürer I³ 399, 96).

Gegenüber diesen Beschränkungen ist von Sonderprivilegien, welche bedeutend genug erschienen, um die Stellung des Königs als socius über die der anderen römischen Vasallen zu erheben, nur eins zu erwähnen. Denn jenes, welches die H. freundliche Tradition als etwas ganz Besonderes herausstreicht, die ihm zugestandene Erlaubnis, ,τὸν ἀπ’ αὐτοῦ φυγόντα καὶ μὴ προσηκοῦσης πόλεως ἐξαγαγεῖν‘ (bell. Iud. I 474), d. h. ein weitgehendes Auslieferungsrecht, ist als solches kaum zu werten; es war wohl bedingt durch die besonderen Verhältnisse der räuberischen Grenzlandschaften des herodeischen Reiches. Dagegen ist das Zugeständnis des Augustus vom J. 22 v. Chr., das im J. 12 v. Chr. ausdrücklich bestätigt worden ist (bell. Iud. I 454. 458; ant. Iud. XV 343. XVI 92. 129), wonach H. seinen Nachfolger bereits [RE:63] bei Lebzeiten selber bestimmen durfte und Rom sich zur Annahme des Präsentierten bereit erklärte, als eine sehr erhebliche Bevorzugung zu fassen. Wurde doch hierdurch dem Könige schon bei Lebzeiten die Aussicht auf Gründung einer erblichen Dynastie eröffnet; denn Rom verzichtete auf das nach römischem Staatsrecht ihm für die Klientelstaaten grundsätzlich zustehende Recht, erst nach dem Tode des betreffenden Herrschers zu prüfen, ob nicht die bisher gewährte Autonomie, die staatsrechtlich ein rein personales Zugeständnis [66] darstellte, aufzuheben und das Land in unmittelbare Verwaltung zu nehmen sei (s. hierzu Schürer I³ 401f.): der mit dem König eingegangene Lehnsvertrag wurde so schon bei seinen Lebzeiten über seinen Tod hinaus verlängert. H. hat denn auch im J. 12 v. Chr. seine Nachfolger offen proklamiert (bell. Iud. I 451. 458; ant. Iud. XVI 133).

Mit der Gewährung dieses Sonderprivilegs stehen jedoch die Verhältnisse nach dem Tode des Königs garnicht im Einklang. H. selbst hat nämlich die Verfügungen seines letzten Testaments vom J. 4 v. Chr. über die Nachfolge nur als vorläufig angesehen und alles von der Zustimmung des Augustus abhängig gemacht. Sein Sohn Archelaos fühlt sich ferner vor der Bestätigung durch Augustus durchaus nicht als Nachfolger des Vaters, in Rom kann sogar über die Einziehung des jüdischen Staates verhandelt werden [1], die endgültige Entscheidung des Kaisers über die Nachfolge erscheint lange zweifelhaft, und sie hat sich schließlich auch nur teilweise an die Wünsche des verstorbenen Königs gehalten: die jüdische βασιλεία und mit ihr der jüdische Einheitsstaat ist beseitigt worden (s. S. 169 u. 177f.). Auch die Entsendung des Antipatros nach Rom im J. 5 v. Chr., bei der dieser neben anderem dem Kaiser das neueste Testament des H. vorlegen und offenbar seine Bestätigung erlangen sollte (bell. Iud. I 573; ant. Iud. XVII 53, s. S. 144 u. 145), ist mit dem gewährten Sondervorrecht nicht recht vereinbar. Das alles wird dagegen verständlich bei der Annahme, daß jenes Sonderprivileg dem Könige nach 12 v. Chr. wieder genommen worden ist (Wellhausen 339 zieht diese Möglichkeit nicht in Betracht; über die möglichen Gründe der Aufhebung s. S. 131).

Nach alledem wird man wohl der Auffassung Wellhausens 327 unbedingt beistimmen dürfen, daß ‚die Stellung des H. als rex socius nicht gerade ausnahmsweise bevorzugt war‘. Wenn sie uns trotzdem mitunter bevorzugt [RE:64] erscheint, so beruht dies nicht auf irgendwelchen für H. besonders günstigen vertragsmäßigen Bestimmungen, sondern allein auf dem Wohlwollen der leitenden römischen Kreise, das dem Könige und seinem Staate wenigstens im einzelnen manchen Nutzen gebracht hat. Man braucht hierbei übrigens nicht nur an politisch so bedeutsame Dinge wie die soeben erwähnten, die vollständige Erlassung des Tributs und die besonders liberale Regelung der Nachfolge oder wie die häufige Erweiterung der Grenzen des Reiches zu denken, sondern kann hierfür etwa auch auf die ehrenvolle Aufnahme verweisen, die H. und seine Söhne


  1. Auch das sofortige Erscheinen eines römischen Prokurators in Palästina nach dem Tode des Königs und dessen ganzes Auftreten daselbst (bell. Iud. II 16ff.; ant. Iud. XVII 221ff.) weist darauf hin, daß die Einziehung des jüdischen Staates, sowie der ganzen Hinterlassenschaft des H. in dem Bereich der Möglichkeit lag, daß man eben damals dem jüdischen Staat wie jedem anderen durch den Tod des Herrschers erledigten Vasallenstaat gegenüberstand. In dieselbe Richtung, auf die mögliche Ausübung des ‚Spolien‘rechts durch den Staat, weist auch die Einreichung der λογισμοὶ τῶν χρημάτων durch Archelaos an Augustus (bell. Iud. II 24; ant. Iud. XVII 228).
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/053&oldid=- (Version vom 1.8.2018)