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Beamte waren. Schließlich sei hier noch an die Bestellung eines ἐπίτροπος τῆς ἀρχῆς καὶ τῶν ἐκεῖ πραγμάτων erinnert, die H. vor seiner Reise nach Laodikeia zu Antonius ganz von sich aus vorgenommen hat (ant. Iud. XV 65), und daran, daß ein so hoher Würdenträger wie der jüdische Reichskanzler Ptolemaios, der ὁ ἐπὶ τῶν πραγμάτων[1], sich rückhaltlos allen persönlichen [64] [RE:61] Wünschen des Königs fügen mußte (bell. Iud. I 473). Wir stoßen eben bei keinem Posten auf Beamte, die irgendwie von Rom ernannt und insofern von diesem abhängig gewesen sein konnten (anders ist z. B. Rom zur Zeit Hyrkanos’ II. verfahren, wo der jüdische ,Reichskanzler‘ Antipatros von Caesar ernannt worden ist), und dementsprechend trägt auch keiner römischen Charakter, sondern sie entsprechen den Beamten, die uns aus den hellenistischen Königreichen bekannt geworden sind (s. auch u. S. 109*).

Trotz alledem hat dem Staat des H. sogar die volle Autonomie gefehlt. Denn einmal ist dem Könige die Münzhoheit nur in besonders beschränktem Umfange zugestanden gewesen, da man das vollständige Fehlen von Silbermünzen und die alleinige Erhaltung von Kupfermünzen kaum auf einen Zufall zurückführen darf (allerdings haben anscheinend auch die Hasmonäer selbst in der Zeit ihrer vollen Unabhängigkeit nur Kupfermünzen geprägt, s. Schürer I³ 403. II⁴ 72ff).

Und ferner hat für die Untertanen des Königs ein doppeltes Untertanenverhältnis bestanden. Denn sie haben nicht nur ihm, sondern auch Augustus den Treueid schwören müssen, haben sich also insofern von den römischen Provinzialen nicht unterschieden; diese weitere Beschränkung ist allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach erst in die letzten Jahre der Regierung des H. zu setzen [2]. Daß sie in


  1. Dieser Ptolemaios führt ant. Iud. XVI 191 den Titel ,διοικητὴς τῶν τῆς βασιλείας πραγμάτων‘ und wird wohl, weil er als διοικητής bezeichnet ist und nach dem Tode des Königs in Rom die λογισμοὶ τῶν χρημάτων und den Siegelring des Königs überreicht (bell. Iud. II 24; ant. Iud. XVII 228), allgemein als Finanzminister und Großsiegelbewahrer aufgefaßt. Den Siegelring hat jedoch Ptolemaios erst beim Tode des Königs von diesem anvertraut erhalten (bell. Iud. I 667; ant. Iud. XVII 195), und schon insofern möchte man ihn lieber für den ersten Beamten des Reichs und nicht nur für den Finanzminister halten. Der ersteren Stellung würde auch entsprechen, daß er dem Heer und dem Volke das Testament des Königs verkündet (a. e. a. O.), und die Überreichung des λογισμοί wäre auch für den Inhaber des höchsten Reichsamtes ganz passend. Als solcher wird er ferner auch gerade an der Stelle, wo Josephus seinen Titel nennt, von diesem gewertet, und der Titel selbst führt auch in der gleichen Auffassung. Ant. Iud. XV 68 bezeichnet nämlich Josephus das Amt des von H. im J. 35 (34) v. Chr. eingesetzten Reichsverwesers als ‚διοίκησις τῶν ἐν τῇ βασιλείᾳ πραγμάτων‘, (vgl. übrigens ant. Iud. XVI 1), und diesen selbst hat er vorher ‚ἐπίτροπος τῆς ἀρχῆς καὶ τῶν ἐκεῖ πραγμάτων‘ genannt. Ferner werden von ihm Antipatros, der Vater des H., und seine Sohne Phasael und Herodes als ‚ἐπίτροποι τῶν πραγμάτων‘ unter Hyrkanos II. charakterisiert (ant. Iud. XIV 166; vgl. bell. Iud. I 199. 244; ant Iud. XIV 143. 326). Die Zusammengehörigkeit all dieser Titel ist wohl zweifellos, und da zwei von ihnen zur Bezeichnung des ersten Reichsbeamten dienen, so muß man dieselbe Bedeutung auch dem dritten beilegen. Diese Erklärung wird dadurch weiter gesichert, daß uns ,ὁ ἐπὶ τῶν πραγμάτων‘ als der Titel für den ‚Reichskanzler‘ in hellenistischen Reichen bekannt ist (s. Corradi Saggi di stor. antic. e archeol. off. a G. Beloch 169ff. Die Auffassung Corradis, daß dieses Amt ursprünglich ein außergewöhnliches gewesen sei, bewahrheitet sich auch im jüdischen Staate, wo aber unter H. das ‚Reichskanzleramt‘ auch zu einer dauernden Institution geworden ist) und ferner dadurch, daß von Josephus τὰ πράγματα gerade für den Inbegriff der Regierungsgewalt verwendet worden ist (bell. Iud. I 461; ant. Iud. XIV 326. XV 185. XVI 1. 115. Er schließt sich hier an einen offiziellen Sprachgebrauch an, s. die allgemeinen Bezeichnungen für die hellenistischen Beamten, zusammengestellt bei Paul M. Meyer Pap. Gießen I. Heft 3 p. 2). Man darf wohl annehmen, daß der offizielle Titel für den Reichskanzler im Reiche des H. nicht anders gelautet haben wird als in den anderen Staaten, und daß uns hier einer der häufigen Fälle vorliegt, wo Josephus termini der hellenistischen Amtssprache nicht korrekt, sondern umschrieben WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt wiedergibt; ist er doch auch nicht konsequent in ihrer Verwendung und begeht dabei sogar grobe Fehler (besonders charakteristisch ist z. B. seine falsche Wiedergabe des bei Ps.-Aristeas 182 stehenden Titels ἀρχεδέατρος in Ant. Iud. XII 94, s. hierzu etwa Hoffmann Die Makedonen 77 über ἐδέατρος; vgl. ferner mit einander Ps.-Arist 33 ῥισκοφύλακες mit ant. Iud. XII 41, auch Ps.-Arist. 174 mit ant. Iud. XII 87 usw. Dieselbe Beobachtung hat inzwischen auch Cohen De magistr. Aegypt. extern. Lagid. regni prov. administrat. 1912, 102 gemacht).
  2. Joseph. ant. Iud. XVII 42 erzählt von dieser Eidesleistung und ihrer Verweigerung durch die Pharisäer bei seiner Darstellung des J. 6 v. Chr. Die Erzählung ist jedoch nicht Selbstzweck, sondern soll nur dazu dienen, die Pharisäer und den Grund ihres nahen Verhältnisses zu der Frau des Pheroras zu beleuchten, so daß die Eidesleistung durch die Erwähnung an dieser Stelle nicht genau datiert wird. Es scheint nach der ganzen Darlegungsform allerdings, als wenn sie nicht allzulange vor dem J. 6 v. Chr. erfolgt wäre, und da die letzte Frau des Pheroras bei der Eidesleistung als Helferin der Pharisäer eine Rolle gespielt hat, und sie die rechtmäßige Gattin des Tetrarchen allem Anschein nach erst einige Zeit nach 12 v. Chr. geworden ist (ant. Iud. XVI 194ff.), so ergibt sich das Datum des Textes. Gegen diese Datierung spricht auch nicht, daß die Eidesleistung, wenn auch in etwas anderer Form, uns bereits in einem früheren Abschnitt der antiquitates (XV 368ff.) mitten unter den Ereignissen der 20er Jahre berichtet wird. Denn Wellhausen 330, 1 ist gegenüber Schürer I³ 399, 96 im Recht, wenn er die beiden Berichte einander gleichsetzt. Ihre Verschiedenheit erklärt sich durch die ihnen zugrunde liegenden verschiedenen Quellen. Der früher stehende Bericht WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt gehört der dem H. abgeneigten Tradition, d. h. dem jüdischen Anonymus an, der von ant. Iud. XV 365ff. (c. 10, 4) an wieder vorliegt (s. S. 72 Anm.; für das Vorliegen jüdischer Tradition in diesem Abschnitt spricht auch die Übereinstimmung einzelner Angaben (§ 366) mit denen der Assumptio Mosis c. 6); der sich an späterer Stelle findende ist jedenfalls auf Nikolaos von Damaskos zurückzuführen (die ganze Darstellungsform zeigt, daß der betreffende Schriftsteller eine frühere Eidesverweigerung durch die Pharisäer nicht erzählt haben kann, auch dies ein Hinweis, daß der Vorgang nur einmal stattgefunden hat). Der erste will entsprechend seiner allgemeinen Tendenz die Pharisäer und ihre Bedeutung besonders herausstreichen und stellt daher ihre Eidesverweigerung so dar, als ob H. nicht gewagt habe, die Pharisäer deswegen zu bestrafen, der zweite hat solche Interessen nicht und berichtet daher die an und für sich selbstverständliche Bestrafung. Wenn schließlich in dem ersten Bericht nur die Leistung eines Eides für H. erscheint, so ist dies als eine Ungenauigkeit zu werten, die dadurch bedingt ist, daß es dem Erzähler auf die staatsrechtliche Bedeutung der Eidesleistung gar nicht angekommen ist; er will mit seiner Erzählung nur ein weiteres Beispiel für das tyrannische Vorgehen des Königs liefern. Insofern darf man auch aus diesem Bericht keine Zeitbestimmung für die Eidesleistung entnehmen, sie ist uns hier völlig zeitlos überliefert; das sachliche Darstellungsprinzip des jüdischen Anonymus tritt in diesem Abschnitte besonders deutlich hervor; s. hierzu S. 79 *).
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/052&oldid=- (Version vom 1.8.2018)