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2) Herodes I.


[RE:1]

I. Quellen und neuere Literatur.

1. Quellen.

a) Quellen irgendwie monumentalen Charakters, die uns wichtigere historische Aufschlüsse geben, sind nur wenig vorhanden: einige Überreste der vielen Bauten des H. in und außerhalb Palästinas (s. für sie die Angaben bei Schürer I³ 388–392. 638. II⁴ 34, 25. 134, 162. 197. Thomsen Mitt. und Nachr. d. deutsch. Paläst.-Ver. 1912, 72. Thiersch Ztschr. d. deutsch. Paläst.-Ver. XXXVI (1913) 49. 52ff.); Münzen bei Madden Coins of the Jews p. 105ff.; griechische Inschriften bei Dittenberger Syll. (or.) I 414. 415. (zugehörig zu einer leider verlorenen Bildsäule des Königs) 416. 417 und IG III 551.

b) Die literarische Tradition.

Urkundliches Material ist auch in ihr – die Monumente [RE:2] enthalten gar keine Urkunden – nur ganz wenig erhalten (s. etwa Joseph. ant. Iud. XVI 167ff., sowie 318, auch Schürer I³ 85. Die Briefe ant. Iud. XVII 134ff. sind dagegen nicht als Urkunden zu werten, da sie nicht Wiedergabe der Originale sind, s. z. B. allein die Anrede § 139 ‚Ἀκμὴ βασιλεῖ Ἡρώδῃ‘ und vgl. auch bell. Iud. I 641ff.), denn die bei Josephus verwerteten ὑπομνήματα τοῦ βασιλέως Ἡρώδου sind der Gruppe der primären literarischen Quellen zuzuweisen, da man in ihnen nicht die offiziellen Tagebücher des Königs, sein Hof- und Geschäftsjournal, sondern seine Memoiren zu sehen hat; der Titel ließe freilich beide Annahmen zu, der Charakter des einen uns erhaltenen größeren Bruchstücks (Joseph. ant. Iud. XV 174 und das Vorhergehende) schließt jedoch die erste aus (s. auch Schürer I³ 48). Die Einwirkung dieses natürlich sehr subjektiven, die Tatsachen sogar bewußt entstellenden, aber anscheinend zumeist recht geschickt angefertigten und umfangreichen Elaborats auf unsere Überlieferung wird allgemein unterschätzt[1] (s. jedoch [4] Bloch Die Quellen d. Flav. Joseph. in d. Archäologie 107ff. 140ff., der freilich im einzelnen ungenügend ist).

Neben den Memoiren kommen als grundlegende Primärquelle für jede spätere Tradition vor allem die Werke des Nikolaos von Damaskus, des vertrauten Ratgebers des H., in Betracht (Susemihl Gesch. d. griech. Literatur in der Alexandrinerzeit II 309ff. Schürer I³ 50ff.). Nikolaos ist zwar mit Sicherheit erst für das J. 14 v. Chr. in der nächsten Umgebung des H. bezeugt (Schürer a. a. O.), aber die vertraute Stellung, die er damals bereits bei dem Könige eingenommen hat, spricht dafür, daß er doch wohl schon früher an den jüdischen Hof gekommen ist; jedenfalls ist er trotz seiner Todfeindschaft mit dem ältesten Sohne des H., Antipatros, (s. z. B. frg. 5 [FHG III 351ff.]) – dies natürlich ein für die Beurteilung seiner Geschichtsdarstellung sehr wichtiges Moment –, bei dem Könige bis zu dessen Tode in höchstem Ansehen geblieben. Seine Werke sind entsprechend der Stellung des Autors die Vertreter einer für H. durchaus günstigen [RE:3] Tendenz; Nikolaos ist sogar so parteiisch gewesen, daß er bewußte Geschichtsfälschungen im Interesse des Königs verbreitet hat (Joseph. ant. Iud. XIV 9; auch XVI 183ff. [2].


  1. Man lese z. B. Joseph, ant. Iud. XV 74ff.; der hier so eingehend skizzierte Brief des H. kann seinerzeit kaum so geschrieben und vor allem auf keinen Fall bekannt gemacht worden sein, sondern H. wird ihm erst später diesen Inhalt zuerteilt haben; das kann in dieser ausführlichen Weise eigentlich nur in seinen Memoiren geschehen sein. Weiteres über diese S. 46 und 50.
  2. Der hier gegen Nikolaos erhobene Vorwurf, er habe z. B. zu Unrecht von ἐπιβουλαί der Mariammesöhne gegen ihren Vater berichtet, habe deren Schuld als erwiesen hingestellt, ist nicht, wie J. v. Destinon Die Quellen d. Flav. Joseph. I 114ff. nachzuweisen sucht, das Ergebnis einer übertreibenden Polemik gegen Nikolaos, sondern charakterisiert die Ausführungen des Damasceners ganz richtig. Denn der Inhalt der Rede des Nikolaos gegen Antipatros bei Joseph. ant. Iud. XVII 108ff. (spez. 108–113), die unbedingt der Weltgeschichte entnommen ist (jedoch nicht in ihrem vollen Umfange; so fehlt z. B. das bell. Iud. I 637 über Antipatros’ Nachstellungen gegen seine Geschwister Gesagte, vgl. hiermit Nikol. frg. 5 [FHG III 352]), zeigt deutlich, daß der Sprecher die Schuld der Mariammesöhne trotz allen Mitleides mit ihnen vertritt (Destinons gegenteiliges Urteil über diese Rede steht mit ihren tatsächlichen Angaben im Widerspruch), und entsprechend der Rede muß auch selbstverständlich die Darstellung des Verhaltens der Mariammesöhne in der Weltgeschichte gewesen sein. Beachte auch ant. Iud. XVI 371. Später, in seiner Selbstbiographie, hat dann freilich Nikolaos die Auffassung seiner Weltgeschichte nicht beibehalten, sondern die ‚ἐπιβουλαί‘ für nicht erwiesen angesehen, also einen für H. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt ungünstigeren Standpunkt vertreten (frg. 5 [FGH III 351ff]); von den für diesen Wandel (man beachte hierfür auch den Eingang von frg. 4 [FHG III 350]) möglichen Gründen sei hier nur der inzwischen erfolgte Tod des Königs herausgehoben.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/022&oldid=- (Version vom 1.8.2018)