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Es war ein Engel des Herrn gewesen. In seinen Armen belebte sich die Leiche wieder, und als Joseph zu sich selbst kam, befand er sich bei dem Amphitheater in Verona, und sein Herr kam ihm entgegen, der auf der Reise schon hierher gekommen war. Er begleitete ihn nun nach Rom und kehrte später mit ihm nach Deutschland zurück.

In Speyer hörte er von dem frommen Wandel der Mönche im Kloster Schönau, und sogleich entschloss er sich auch, zu ihnen zu gehen, um sich durch fromme Uebung des ewigen Heiles würdig zu machen.

Die Brüder nahmen den neuen Zögling bereitwillig auf, und unterrichteten ihn in den Regeln ihres Ordens; er aber erfüllte als Novize seine Pflichten pünktlich und getreu. Noch war aber das Probejahr nicht vorüber, da erkrankte Joseph. Die Anstrengungen seiner weiten Reisen, die ausgestandenen Mühseligkeiten und die Kasteiungen hatten die Kräfte seines Körpers aufgezehrt Am 20. April des Jahres 1188 entschlief er selig in dem Herrn.

Sein Geschlecht war bis zu seinem Tode unerkannt geblieben; erst jetzt erfuhr man, dass der vermeinte Knabe Joseph die Jungfrau Hildegunde war. Sie ward im Kloster begraben, ist aber nach ihrem Tode Vielen erschienen, und hat manche Wunder gewirkt. Wo aber jetzt ihre Reliquien aufbewahrt werden, ist unbekannt.


Von Schönau setzt die Steinach ihren bisherigen nicht ganz südlichen, sondern etwas östlich gewendeten Lauf fort, und an derselben finden wir noch den Lindenbacher Hof, der schon zu den Zeiten als das Kloster Schönau gestiftet wurde, bestand, und dessen sogar in der Stiftungsurkunde desselben Erwähnung geschieht. Ehe sich das Thal bei Neckarsteinach ausmündet, tritt ihm von Westen her eine Vorhöhe der Neckargebirge in den Weg, so dass es sich, ganz östlich und südöstlich wenden muss. Auf dieser Höhe stehen die Burgen von Neckarsteinach und gewähren von dieser Seite, wo der Neckar ganz unsichtbar ist, ein überraschendes und äusserst romantisches Bild.

Man erzählt von der Steinach, dass man vor noch nicht so langen Jahren Perlenmuscheln in ihr gefunden habe. Zwar ward die Wahrheit dieser Sage, wie die Möglichkeit in Zweifel gezogen;

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Albert Ludwig Grimm: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes in ihrer Vorzeit und Gegenwart. Darmstadt: Carl Wilhelm Leske, 1843, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Odenwald_(Grimm)_065.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)