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W. St. liegt 27/8 St. nordöstlich von Waldsee, am Fuße des Stadelbergs, und an der Riß, welche den Ort in einem Halbkreise umfließt. Es hat eine Kirche, ein Pfarrhaus, eine Schule, ein Rathhaus, zwei Schildwirthschaften mit Brauereigerechtigkeit, eine Mühle und eine Ziegelhütte. Die Baulast an Kirche und Pfarrhaus hat die nicht unvermögende Stiftungspflege. Eine Urkunde von 1242 ist ausgestellt: Datum in castro Winterstetten, in Capella. Diese Burgcaplanei scheint es gewesen zu seyn, zu der die Gemeinde 1422 eine kleine Stiftung machte. Ihre Pfarrkirche hatten die Einwohner des Fleckens zu U.-Essendorf. Ein Caplan, Kunz von Winterstetten, stiftete 1439 mit einem Haus und Gütern eine Caplanei, er machte aber diese Stiftung in die Kirche zu St. Martin in Unter-Essendorf. Erst 1778 und 1782 kamen Bürgermeister und Rath zu W. mit dem Caplan dahin überein, daß er ihnen gegen besondere Belohnung auch in Winterstetten Messe las. 1809 wurde die Caplanei zur Pfarrcaplanei und 1812 zur selbstständigen Pfarrei erhoben, welcher seit 1821 die Stiftungspflege U.-Essendorf eine Aufbesserung von 100 fl. Geld, 10 Sch. Dinkel und 10 Sch. Hafer zu reichen hat. Der neu errichteten Pfarrei wurden Stadelhof, Steinenfurt und Weiherhäuser zugetheilt. Das Patronatrecht hatte schon von der Caplanei immer der Besitzer von W.

Daß W. Stadt ehemals wirklich eine Stadt war, davon zeugen noch theils die Überreste von Mauern und Thoren, theils seine städtischen Rechte und Freiheiten. Im J. 1376 verlieh Herzog Leopold v. Österreich „der Stadt“ das Recht, Stock und Galgen innerhalb Etters zu errichten, ferner das Recht zu Abhaltung von Wochenmärkten, zur Bürger-Annahme, die Befreiung von dem K. Landgerichte etc. Diese Rechte und Freiheiten wurden nach den in dem dortigen Archiv befindlichen Original-Urkunden von den nachfolgenden Kaisern theils bestätigt, theils mit andern vermehrt, namentlich mit dem Recht zur Erhebung des Abzugs der Hälfte von Gemerz und Krämerei, des sogen. Kaiserpfennigs von jeder Maaß Bier, des Burgergelds, des Zolls und der Marktstandgelder.


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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Waldsee. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1834, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Waldsee_184.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)