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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

nach einem Apfel, den die Mutter in der hohlen rechten Hand hält. Die Arbeit ist neben aller Ursprünglichkeit eine äußerst saubere, die Gewänder sind gar fein gefältelt und alle Bänder, Gürtel, Säume u. s. w. sehr zart und zierlich ausgeführt (s. vorstehende Abbildung).

Ganz von derselben Hand gearbeitet war die in der Nähe der Madonna in die Wand des Südschiffes eingelassene und eines der Fenster verdeckende Reliefplatte. Sie wird an der neu zu errichtenden Apsis der Kirche wieder angebracht werden und enthält Christus am Kreuz, mit stark gekreuzten Beinen; neben steht Maria und Johannes, dieser auch mit jener Geberde des Schmerzes, und unterhalb des Kreuzes hängt an einem doppelten Strick Judas, eine Schaale mit den dreißig Silberlingen in der Hand haltend.

Ferner hocken auf den meisten Brüstungen der Fensterchen des Südschiffes Gethiere (Löwen, Hunde, Drachen etc.) und oben in einigen Spitzbögen der Fenster (des südlichen Schiffes, sowie der südlichen Wand des Mittelschiffes) sitzen schlanke Falken; ferner an allen Giebelenden ragen herrlich stilisirte, sich zwerghaft zusammmenduckende, langbärtige Gestalten heraus, und endlich sind noch hervorzuheben: unter der schon genannten Madonna die flachausgemeißelten zwei Windhunde samt einem ins Horn stoßenden Jäger. Die beiden Hunde sind von trefflicher, naturwahrer Bildung. Alle diese Bildwerke, wie auch die Ornamente und Gesimse zeigen zum Theil noch sehr deutliche Spuren von bunter Bemalung. Als Bausteine sind dieselben Arten verwendet, wie an der h. Kreuzkirche.

Ist nun der Anblick der Kirche mit ihren edlen und leichten Verhältnissen und ihrem so reichen und wohlangebrachten Schmuck in hohem Grad erfreuend und begeisternd, so wird dieser Eindruck noch mächtig gesteigert durch den frei an der Nordwand des hohen Chores sich erhebenden Glockenthurm, den sog. Schwindelstein (bis zum Knopf 158′ hoch). Es ist der prachtvollste und schönste romanische Thurm im Schwabenlande und blieb ganz unberührt vom Sturm der Zeiten stehen, als höchstes und stolzestes Denkmal der Blüthe der Stadt Gmünd unter den ihr so sehr zugethanen hohenstaufischen Kaisern. Sein erstes Geschoß, viereckig, würfelförmig, fast fensterlos, aber von reich diamantirter Lisenenstellung und von prächtig gefülltem Rundbogenfriese belebt, bildet eigentlich nur den großartigen Sockel, worauf der eigentliche Körper des Thurmes mit einem zweiten, sehr hohen, ganz schmucklosen Geschosse durch vier groß Schrägen ins Achteck hinangeht, von hier an in zwei sehr reichen, von spitzbogigen Arkaden-Fenstern durchbrochenen Achtecks-Geschossen sich weiter entwickelt und mit schlankem achteckigem Zeltdache sich abschließt. Breite, vielgegliederte, reichskulpirte Gurtgesimsstreifen machen den Thurm vollends zum lebendigen Ganzen; und an ihm ist nun der Reichthum an abenteuerlichen

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Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)