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Religion, Reichsstädte, Klöster, Feudal-Verhältnisse mußten manche eigenthümliche Schattirungen hervorbringen, die auch jetzt noch keineswegs verwischt sind. Von der behaglichen Ruhe, welche der Oberschwabe in der Regel zwar nicht im Lebensgenusse – denn in diesen mischen sich gar häufig Leidenschaften ein – aber doch in seiner Arbeit zeigt, haben die Biberacher immer durch eine rege Thätigkeit eine Ausnahme gemacht. In sämmtlichen Gemeinden des Oberamtsbezirks war allgemeine Gütergemeinschaft „observanzmäßig" die Basis der Ehen, bis zum Übergang derselben an die Krone Würtemberg. Andere eheliche Rechtsverhältnisse waren durch Verträge zu documentiren. Übrigens wurden meistens Eheverträge auch bei obigem observanzmäßigen Rechtsverhältniß errichtet, jedoch nicht, um solches hiedurch erst festzusetzen, sondern um den Rückfall zu bestimmen, welchen der überlebende Ehegatte an die Verwandten des kinderlos Verstorbenen in der Regel hinauszahlen mußte. Diese Gütergemeinschaften umfaßten alles Vermögen der Eheleute ohne Ausnahme; während der Ehe war der Ehemann unbeschränkter Verwalter des gemeinschaftlichen Vermögens, daher er einseitig die Güter verpfänden und veräußern konnte. Dagegen war es keinem der beiden Ehegatten gestattet, über das gemeinschaftliche Vermögen unter Lebendigen und von Todeswegen zu verfügen. Wurde die Ehe durch Tod getrennt, so wurde die bisherige Gütergemeinschaft mit den Kindern, wenn solche vorhanden waren, fortgesetzt, und die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens stand ausschließlich dem überlebenden Gatten zu, der nur dann mit den Kindern abzutheilen hatte, wenn er wiederum heirathete, in welchem Falle die Vertheilung des gemeinschaftlichen Vermögens je zur Halbscheid statt hatte.

Bei kinderloser Ehe blieb der überlebende Gatte im Besitz und Eigenthum des ganzen gemeinschaftlichen Vermögens, die Verwandten des Verstorbenen hatten keine Erbschafts-Ansprüche, sondern blos den etwaigen vertragsmäßigen Rückfall anzusprechen. So lange die Gütergemeinschaft dauerte, waren die Kinder aus dem gemeinschaftlichen Vermögen zu unterhalten,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Biberach. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1837, Seite 026. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Biberach_026.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)