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Am ersten Fastensonntag, sog. weißen Sonntag, werden in Wurmlingen noch Feuer auf den Bergen angezündet und findet ein kleiner Fackelzug im Kornösch statt, als der letzte Rest des sog. Funken- oder „Scheibenschlagens“. Früher wurde dies uralte Frühlingsfest in Wurmlingen folgendermaßen begangen: die Schulkinder zogen mit Fackeln in’s Ösch hinaus. Die Fackeln waren von Stroh, innen Späne, andere auch von Holz, oft ungeheuer lang und oben mit Harz bestrichen. Der Zug begann mit einbrechender Nacht unter Abbetung des Rosenkranzes und Begleitung von Feldschützen und Polizei auf den angeblümten Ösch. Das Feuer sollte die Saat vor Hagel schützen. – Später veranstalteten dann Erwachsene einen Fackelzug und zogen auf den „Scheibenrain“. Dort machte man ein großes Feuer, nahm die brennenden Prügel und schwang sie mit den Worten:

Schibo, Schibo, über den Rhein,
Wem wird wohl diese Schibo sein?
Diese geht rechts, diese geht links
Und gehört meinem Mädle zum Lädele nein!

Beim letzten Wort läßt man das Scheit fahren und je weiter es fliegt, desto besser. (B.)

Ähnlich hielt man das Scheibenschlagen in Fridingen und zwar immer auf einer Anhöhe, Härdtle genannt, und sang dazu den Vers:

Scheibo, Scheibo!
Wem soll die Scheibe sein?
Die Scheibe fliegt wohl über den Rhein,
Die Scheibe soll meinem Schätzele sein! (M.)

„Scheibenraine“ gab es auch bei Mühlheim und Weilheim. In Renquishausen zieht man heute noch am weißen Sonntag bei einbrechender Nacht mit brennenden Fackeln in das Winterösch. – In Wurmlingen lassen die Kinder am St. Josefstag (19. März) Schiffchen mit brennenden Lichtlein auf dem Bach schwimmen und in Weilheim befestigen an Mariä-Lichtmeß die Kinder auf einem Brettchen mehrere Lichter und beten herumknieend einen Rosenkranz. Jedes hat sein Licht, wessen Licht zuerst ausgeht, muß zuerst sterben. (B.)

Das Eierlesen und der Pfingstritt kommen zuweilen in Kolbingen noch vor; in Wurmlingen noch der Hammeltanz.

Beim Eierlesen läuft ein lediger Bursche von Kolbingen nach Renquishausen und zurück, der andere muß in derselben Zeit eine große Anzahl ausgelegter Eier in einen Korb zusammenlesen;

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0143.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)