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breite Schiff und gliedert sich der Länge nach in gestreckte schmale Felder, die in geschnitztem gothischem Maßwerk zusammenstoßen und dazwischen die kleinen Wappenschilde von Ansbach und Weinsberg aufgemalt zeigen; Alles bunt, in ansprechender Farbenstimmung. Im Chore tritt uns dann ein großer Reichthum an baulicher Gliederung und Zierwerk entgegen. Schon der Triumphbogen steigt reich und voll gegliedert empor, die Rippen der Kreuzgewölbe des Chors ruhen auf schönen Diensten (Wandsäulchen) die durch Baldachine, darin einst Bildsäulen, unterbrochen werden. Auf dem östlichen Schlußstein ist vortrefflich und äußerst fein in Relief dargestellt die Krönung Mariä, beide Gestalten in vielgefältelten Gewändern, der andere Schlußstein hat ein Rund für das ewige Licht, um das sich ein schöner Blätterkranz herzieht. An Rippen, Schlußsteinen und Gewölbefeldern noch deutliche Spuren von Bemalung und Vergoldung. Die Kapitelle der Dienste, sowie einige Konsolen an der Nordwand sind auf das Schönste mit Blattwerk und Masken belebt; auch das Kleinste ist wunderbar beseelt; so die Thüre südlich, die in das Treppenthürmchen sich öffnet, in ihre Bogenspitze drängt sich ein Vampier mit ausgebreiteten Flügeln. Dann jene Nische mit Sitz an derselben Seite des Chors, oben mit herrlichem Maßwerk erfüllt; dann das Sakramenthäuschen, gefaßt von zwei Baldachinen, die einen reichen Wimberg tragen; an derselben (nördlichen) Wand führt eine Spitzbogenthür in die von kräftigem Rippenkreuzgewölbe übersprengte rechteckige Sakristei, die einen eigenen Altartisch besitzt und noch durch die alten tiefeingeschrägten Fensterchen dämmerndes Licht erhält; außen ist sie durch Zinnen und einen schönen Maßwerksgiebel belebt.

So ist diese Kirche ein prächtiges Denkmal der mittelalterlichen Baukunst zu Ende des 14. Jahrhunderts, da die schöpferische Kraft der Gothik noch stark war, und statt des (späteren) mathematischen Spiels mit bloßem Maßwerk noch frisch und freudig Blätterzierat und eine Fülle von Skulpturwerk, theils von heiliger, theils von masken- und fratzenhafter Bildung, hervortrieb. Als eine Fortsetzung dieser Stilweise ist sodann die größere, freilich im Schiff veränderte Bergkirche bei Laudenbach, begonnen 1412, (s. u.) anzusehen.

Aus der Zeit der Erbauung der Herrgottskirche sind weiter in derselben zu nennen die drei höchst merkwürdigen von Maler Dirr in Ulm neuestens wiederhergestellten Hohenlohischen Todtenschilde, über einem ein aus Leder getriebener Helm mit

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0490.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)