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weites Schiff und daran ein etwas schmälerer 28 Fuß breiter vieleckig schließender Chor, an der Südseite des Chors eine kleine rechteckige Sakristei; alles schön mit Rippengewölben überdeckt. Der bis jetzt noch unbekannte Baumeister hat es verstanden, bei der verhältnismäßigen Kleinheit und Einfachheit des Baues doch den Eindruck des reicheren und vielgegliederten mit wohlfeilen Mitteln zu erreichen. So sprengte er vor den beiden Haupteingängen an den beiden Langseiten des Schiffes von Strebepfeiler zu Strebepfeiler Netzgewölbe und erhielt so zwei Vorhallen: das unterste Geschoß des Thurmes gestaltete er gleichfalls zu einer Vorhalle und endlich ließ er die Strebepfeiler des Schiffes auch einwärts springen, so daß er an jeder Schiffwand den Anblick von vier spitzbogigen Blendkapellen als nachdrückliche Gliederung der Wandflächen bekam. Mit diesen Blendkapellen mißt die Weite des Schiffs 35 Fuß. Der Bau hält so ziemlich die Mitte zwischen dem derberen schwäbischen und dem zierlicheren fränkischen Geschmack damaliger Zeit. Am Südportal steht auf einer von zwei Engeln gehaltenen Tafel: 1.4.7.3 an. sant. matheus. abent. da. wart. der. erst. stein. gelegt. an. dz. wi(r)dig. gotzhauß. Dieselbe Jahreszahl am Chor. Über der Tafel das Zeichen des Bildhauers, das mit dem in Röttingen (s. Klemm, Vierteljahrshefte V. S. 135) übereinstimmt. 1

Der in sechs Geschossen sich erhebende Thurm wird mit dem fünften Geschoß achteckig, neuer, aus Backsteinen und endigt in ein Zwiebeldach. An der Westseite hat er ein (jetzt vermauertes) Portal, das mit Wimperg und Spitzsäulen verziert ist. An der oberen Leibung des gerad gestürzten Südfensters des ersten Stocks ragt ein traurig schöner mit einem Tuch umwundener weiblicher Kopf heraus, mit eingefallenen Wangen und todten Augen; daneben ist ein Baumeister- oder Bildhauerzeichen eingemeißelt. Die großen Spitzbogenfenster des Langhauses und Chores haben alle noch ihr gutes spätgothisches Maßwerk. Auf den Giebeln der Strebepfeiler liegt und kriecht Gethier umher. Besonders reich in schwerfälliger Pracht ist das Südportal. Das zwischen die beiden Strebepfeiler gespannte Gewölbe setzt sich aus reichem Maßwerk zusammen, gipfelt außen in einem breiten mit großen Krabben belegten Wimperg, in dessen Dreieckzwickel das Haupt Christi; wagrecht herüber geht ein Dreiblattfries mit Lilienenden. Zwei Heilige stehen unter Baldachinen rechts und links, am Strebepfeiler noch weiter links ein Dritter, St. Stephanus; auf dem unter den Fenstern hinlaufenden

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Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_401.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)