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Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt

welchem hier eine Fähre eingerichtet ist. Es hat ein Rathhaus, worin auch die Schule eingerichtet ist, ein Schlößchen, das s. g. neue Schloß, das erst 1722 erbaut worden ist; ein älteres Schloß steht als Ruine bey dem Dorfe. Die Pfarrkirche zur heil. Barbara wurde 1783, das Pfarrhaus 1769, beyde vom Dom-Capitel Constanz, neu gebaut. Außerhalb des Orts am Wege nach Canstatt steht eine kleine Meß-Capelle, die St. Wendelins Capelle, es wird jedoch in neuern Zeiten keine Messe mehr darin gelesen. Sie wurde i. J. 1765 von Peter Maier, Bürger zu Hofen und Herzoglichen Gardisten erbaut, und erwarb sich durch Opfer ein kleines Vermögen von 200 fl. Vormals hatte H. zwey Gottesäcker, den einen in dem Orte, bey der Kirche, den andern außerhalb des Orts; i. J. 1823 wurde der erstere ganz abgethan. Für die Leiblege auf demselben mußte der Einheimische 6 fl., der Fremde 10 fl. bezahlen, welche die Herrschaft und die Heiligenpflege theilten. Auf diesem Kirchhof liegt, unter andern auswärtigen Katholiken, welche früher hier beerdigt wurden, auch der berühmte Maler Guibal, gest. 3. Nov. 1784, begraben.

Der Herzog Karl hatte 1779 in dem Schlößchen hier auch ein kath. Militär-Waisenhaus errichtet, weil die Verbindung mit dem von ihm zu gleicher Zeit gestifteten evang. Milit.-Waisenhaus zu Ludwigsburg Anstände gefunden hatte. Im Jahr 1783 wurde es jedoch dahin verlegt. In eben diesem Schlößchen hatten die Brüder Walz aus Stuttgart i. J. 1800 die ersten Versuche der Runkelrübenzuckerbereitung gemacht.

Die Einwohner leben hauptsächlich von Ackerbau, Viehzucht, Obst und Weinbau. Doch ist die Markung sehr klein, und reicht nicht hin zu Ernährung der Einwohnerschaft. Ein Theil sucht daher durch Industrie seine Nahrung zu gewinnen; es werden Federkiele und Strohsessel fabrizirt, Farbenerden gesammelt und bereitet, auch hat der Ort 3 Neckarschiffer, 1 Fischer und 30 Maurer- und Steinhauer-Meister, die auswärts arbeiten, so wie 2 Schildwirthschaften.

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Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1832, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCanstatt159.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)