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dem Beispiele der Herzoge von Bayern dieselbe, schaffte alle Arten von musikalischen Instrumenten herbei, berief im J. 1512 Sänger aus Österreich und Frankreich und führte sie auf Feldzügen und Reisen mit sich. Er verwendete 1517 die Pfründen der mit päpstlicher Zustimmung aufgehobenen Chorherrn der Windsheimer Congregation zur Besoldung von 30 Sängern, meistens aus dem geistlichen Stand, und übertrug dem jeweiligen Propste von Denkendorf die Verwaltung der Capelle und ihrer Einkünfte. Zur Zeit der Reformation zählte die Capelle nur noch 8–16 Sänger, mit 10–40 fl. Gehalt, neben Kost, Wohnung und Kleidung, und 8–12 Knaben. Unter Herzog Christoph und später war der Bestand etwa derselbe und die Capelle auch auswärts berühmt. Es finden sich in derselben von nun an Niederländer, Italiener und Franzosen. – Als Capellmeister werden genannt: 1511 Heinr. Fink, 1519 Joh. Spieß, 1537 Hans von Metz, 1545 Johann Schwarzkopf, 1550 Caspar Khüner, 1551 Siegmund Hemel, 1560 Philipp Weber, 1579 Ludwig Daser, 1589 Balduin Hoyol, 1599 Leonhard Lechner, zugleich braver Componist im Fache der Kirchen-Musik. – Einen wesentlichen Bestandtheil der Capelle bildeten die bereits erwähnten, schon 1496 genannten, Sing- oder Capell-Knaben, welche den Discant zu singen hatten. Noch unter Herzog Christoph hatten sie einen eigenen „Schulmeister“, und wurden dann dem Capellmeister, der sie zu unterrichten und namentlich zu einer feinen Colloratur anzuweisen hatte, in Wohnung und Verpflegung gegeben, besuchten auch daneben die lateinische Schule. Bei Veränderung ihrer Stimme wurden sie zur theologischen Laufbahn, oder zur Schreiberei etc. bestimmt. Bei der fürstlichen Trauung in der Hofkirche im J. 1609 ließ sich „eine überaus herrliche Musik mit 20 Stimmen und fünf Chören auf allerlei Instrumenten von Lauten, Geigen, Fagotten, Dulcinen, Zinken und Posaunen hören. Insonderheit hat ein junger Knab, der in Gestalt eines Engels in einer Wolke hoch oben in der Kirche geschwebt, gar lieblich den Discant dazu gesungen.“ Dieser erst in neuester Zeit wieder besser gewürdigte Musik-Körper wurde um’s Jahr 1750 ganz aufgegeben. – Zu gleicher Zeit mit dem harmonischen Gesange war auch eine kunstmäßige Instrumental-Musik entstanden. Neben einem Lautenschläger und drei Trompetern mit Lehrjungen kommt schon 1493 Meister Fartzenberger, der Harpfer (Harfenist) und 1496 ein Beckenschläger vor. Unter Herzog Christoph, der Harfenisten, Fagottisten etc. hatte, scheint die Capelle auch in dieser Hinsicht berühmt gewesen zu sein, da ihm z. B. Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg 1558 einen Knaben zum Unterricht in der Posaune und Zwerch-Pfeife zuschickte[1].

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0411.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)