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ist wohl sehr häufig theils auf unzweckmäßige Ernährung und mangelhafte Zubereitung der Speisen, theils auf Versäumniß der nöthigen Pflege der Kleinen zurückzuführen, indem dieselben besonders im Sommer – und gerade in dieser Jahreszeit ist die Brechruhr häufig und den kleinen Kindern sehr gefährlich – der Obhut anderer Kinder halbe Tage lang anvertraut werden, und insbesondere, weil ärztliche Berathung bei Kindern unter 1 Jahr sehr selten nachgesucht wird.

Zumeist fehlt auch das Verständniß der den Wöchnerinnen und Neugeborenen naturgemäß zugehörigen Pflege.

Gesäugt werden in dem Bezirk bei Weitem die meisten Kinder, aber häufig nur kurze Zeit; es ist hiebei gewiß sehr in Anschlag zu bringen, daß die Frauen nicht bloß zu häuslichen, sondern auch zu schweren Feldgeschäften stark herbeigezogen werden, wodurch vielleicht manches Kind den Todeskeim mit auf die Welt bringt.




Die vorherrschenden Charakterzüge der im allgemeinen gutartigen Bezirksbewohner sind Fleiß, Sparsamkeit und kirchlicher Sinn. Die Lebensweise ist einfach in Speise und Trank. Die Speisen meist aus Mehl, Milch, Kartoffeln und Kraut mit geräuchertem Schweinefleisch bereitet; neben ziemlich viel Bier und nur wenig Wein, wird auch Branntwein getrunken.

Von eigenthümlichen Gebräuchen und Volksbelustigungen,[1] die jedoch im allgemeinen selten geworden sind, und sich nur mehr oder weniger noch erhalten haben, nennen wir: den Fackelsonntag (Funkensonntag, Funkenfeuer) d. i. am ersten Sonntag nach dem Aschermittwoch, ziehen die Kinder und nicht selten auch die Jünglinge mit brennenden Fackeln auf die nahe gelegenen Höhen, auf denen sie, wie auf dem Dreifaltigkeitsberg, Plettenberg und Deilingerberg, weithin leuchtende, große Feuer anzünden. In einigen Orten, wie z. B. in Gosheim ziehen die Knaben mit brennenden Fackeln um den Samenösch. Da man von diesem Gebrauch am Funken- oder Fackelsonntag sagt: „dem Samen zünden,“ so scheint sich derselbe auf die bevorstehende Sonnenwende, den Frühlings-Anfang, auf die Wieder-Erweckung der erstorbenen Natur zu beziehen.


  1. Von hier an vom Verfasser Finanzrath Paulus unter Benützung der von Pfarrer Dr. Glatz in Neufra gelieferten Beiträge.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Spaichingen. H. Lindemann, Stuttgart 1876, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OASpaichingen0105.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)