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oben ist abgeplattet und trug nach der Sage ein Grafenschloß, daher der Platz noch jetzt der Burgstall heißt. Alte Leute erinnern sich noch zweier Öffnungen, die in Kellergewölbe führten. Jetzt zeugen nur noch hie und da gefundene Ziegelstücke, auch Scherben von feinerer Erde von der alten Wohnstätte. Die isolirte Stellung dieses Hügels gewährt eine reizende Umschau in die Nähe und eine ausgezeichnete Fernsicht, die mit den sehenswürdigsten des Landes wetteifert. Ein gutes Auge vermag bei reiner Luft gegen siebenzig Dörfer zu zählen.[1]

  1. Wir erlauben uns eine Schilderung dieser Aussicht mitzutheilen, welche wir der Güte des Herrn Pfarrers Völter in Grafenberg verdanken: „Wenden wir uns nach Norden, so erblicken wir über dem in der Abendsonne schimmernden Kirchthurm von Nürtingen das Neckarthal von Unter-Ensingen an abwärts, in welchem sich neben Wendlingen und Pfauhausen besonders Köngen mit der steinernen Neckarbrücke, und am Fuße des Schurwalds Plochingen mit seinen Weinbergen sehr malerisch darstellt. Über dem Neckarthal erhebt sich der Schurwald, auf welchem weiter ostwärts eine große Anzahl von Dörfern sichtbar ist, und hinter diesen taucht an einigen Stellen der Welzheimer Wald bläulicht auf, der weiterhin deutlicher sichtbar wird und in großer Entfernung einige hochgelegene Dörfer mit Thürmen oder Schlössern hervortreten läßt. An ihn reihen sich der Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen an, welch letzterer in seiner ganzen Größe sichtbar ist, und in majestätischer Pracht erscheint, indem seine Seitenwand bei günstiger Beleuchtung weiß wie ein Alpencoloß schimmert. In mannigfaltiger Abwechslung, welche durch Einbuchtungen, in deren dunklen Hintergrund man hineinschaut, und durch vorspringende Berge gebildet ist, erblicken wir gegen Südost und Südwest die Alpkette, zuerst den dicht bewaldeten breiten Aichelberg mit dem Dorfe Zell, die Teck, den Beurener Fels, Hohen-Neuffen, das uns gegenüber sein gekröntes Haupt erhebt, Hohen-Urach, den Mägdeberg, die Achalm, den Roßberg und Farrenberg, Hohenzollern, auf welchem die einzelnen Gebäude deutlich unterschieden werden können, und hinter dem noch der Heuberg hervorschaut. Im Hintergrund erscheint am äußersten Horizont der Schwarzwald als ein langgestreckter Höhenzug, und vor ihm ausgebreitet die Gegend von Tübingen und Rottenburg, in dessen Nähe ein isolirter Berg mit einer Burgruine (die Weilerburg?) sich auszeichnet. Gegen Nordwest begrenzen die bewaldeten Höhen des Schönbuchs den Horizont, an welchen sich die Filder mit ihren großen Dörfern anschließen, unter denen das hoch gelegene Degerloch am äußersten Rande sich besonders deutlich abhebt. Im Norden schaut der rothe Berg mit seiner Kapelle herauf. Den Schluß dieser Rundsicht, auf welcher das Auge mit Wonne ruht, bilden die Berge, an welchen die Eßlinger Weiler mit ihren weißen Häuschen idyllisch zerstreut umherliegen, einer großen Lämmerheerde ähnlich, die friedlich an einem Bergabhang weidet.
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August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_157.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)