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zugespitzte, und nur die beiden westlichsten sind unverletzt; sie gehen jetzt sämtlich auf den Dachboden des nördlich angebauten Kreuzganges; die beiden noch ganz erhaltenen beweisen, daß das ursprünglich hier anstoßende Gebäude ziemlich niedriger, einstockig, war.

Den baulichen Eindruck des Inneren bestimmt auch der 103′ vom Eingang entfernte, sich zwischen den sechsten Pfeilern quer durch das Hauptschiff ziehende steinerne Lettner, ganz im Geiste der Basilika, namentlich der Westfassade, gehalten, belebt von rundbogigen, mit starken Wulsten und Kehlen umsäumten Durchgängen und Flachnischen, und bekrönt von kräftigem, mit dem Schachbrettmuster geziertem Gesimse. Die mittlere Nische, die größte, trug einst ein bedeutendes Freskobild, daneben öffnet sich je eine schöne rundbogige Pforte und eine schmale Nische, die südliche mit einer romanischen Freske, der h. Dorothea mit dem Christkind, auf einem Teppichmuster. Als dieser Lettner noch ganz in Fresken und Vergoldung schimmerte, muß er von ungewöhnlich schöner Wirkung gewesen sein, jetzt ist er roth angestrichen und großentheils verstellt. Die mit ihm durch ihren starken attischen Sockel genau verbundenen Arkadenpfeiler haben an den Würfelknäufen ihrer Halbsäulen reichere Zierden als die andern, nämlich feines Blattwerk. Im nördlichen Seitenschiff, ob auch im südlichen ist nicht mehr zu erkennen, lief eine romanische Steinbrüstung in der Flucht des Lettners hin, sie zeigt an der gegen den Chor gewandten Seite Theile eines prächtigen Rundbogenfrieses. In gothischer Zeit wurde vor dieser Brüstung ein Baldachin, von dem aber nur ein Theil der auf der Brüstung ruhenden Ostwand noch erhalten ist, sowie zwischen ihm und dem Arkadenpfeiler eine sehr schöne, reichgegliederte, gothische Pforte errichtet. An dieser Pforte links oben sieht man nun jene schon oft gedeuteten Bildwerke, nämlich einen Arm mit schwörender Hand, um den sich ein Strick schlingt, ausgehauen, und an der mit schönem Stabwerk belebten Rückseite an einer Konsole einen listig lächelnden Mönch mit einem wilden Thier, an einer andern einen reichgewandeten Laien von edlem Gesichtsausdruck, vermuthlich der Baumeister dieses dem Stile nach vor 1400 errichteten Werkes. Es soll eine Versinnlichung der Sage von der Überlistung der Räuber durch die bauenden Mönche sein. Räuber, welche sich dem Bau widersetzten, hätten sich auf die Zusage der Mönche, das Kloster nicht auszubauen, zurückgezogen, als aber endlich doch das Glöcklein durch das Thal tönte und jene herbei eilten, die Meineidigen zu strafen, wiesen diese auf das Fehlen eines Steins in dem Bau, und die Räuber schonten die listigen Brüder. Der Lettner samt seinen Schranken schloß die Laienkirche, den Bruderchor, 103′ lang, von dem der Klostergeistlichkeit vorbehaltenen größeren (127′ langen) Raum, dem Herrenchor, ab und ist einer der wenigen aus dieser frühen Zeit.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)