Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

abhängig von dem Klima. Während dieses in dem hochgelegenen südlichen Theile des Bezirks (bis auf 1446 par. F. über dem Meer) in der unmittelbaren Nachbarschaft des sog. Hagenschießes ziemlich rauh und schneereich ist, zeichnet sich die nördliche, östliche und besonders die westliche Grenze des Bezirks durch mehr oder weniger mildes, dem Weinbau günstiges Klima aus. Der Bezirk Maulbronn zerfällt von diesem Gesichtspunkt aus in folgende natürliche Gruppen: 1) Die Bewohner der sog. Platte, d. h. der nordöstlichen Abdachung der Muschelkalkhöhen jenseits der Enz (Wurmberg, hart am Hagenschieß, Wiernsheim, Pinache mit Parzellen); 2) die Bewohner des Enzthales von Enzberg bis Lomersheim, wozu geographisch die Orte Ötisheim mit Parzellen, Lienzingen, Illingen und Schmie gehören; 3) die des Metterthales von Zaisersweiher bis Gündelbach, mit dem seitwärts liegenden Diefenbach; 4) die des südwestlichen Theiles des Kraichgaus, von Sternenfels bis Knittlingen, mit Derdingen, Großvillars, Freudenstein und Parzellen; 5) die Bewohner der dem kleinen Flußgebiet des in den Rhein mündenden Flüßchens Salza (Salbach) angehörigen Thalabhänge, Maulbronn, Ölbronn mit Kleinvillars. Während die Bewohner der Gruppe unter 1) und zum Theil von 2) und 5) sich durch kräftigeren Körperbau, mehrentheils auch durch höhere Statur und frischere Gesichtsfarbe auszeichnen, sind die, welche den unter 2), 3) und 4) genannten Gegenden angehören, und großentheils Weinbau treiben, mit wenigen Ausnahmen von mittlerer Statur, von weniger kräftigem Bau und lassen, nicht selten schon in jüngern Jahren die Folgen anstrengender Arbeit, welcher eine entsprechende Nahrung und Kost nicht zur Seite steht, erkennen. Belege für die Einwirkung des Klimas auf verschiedene Verhältnisse des Lebens werden sich noch im Folgenden finden. 1

Mit Ausnahme der 3. Gruppe hat sich, zwar sehr zerstreut, in allen Gegenden des Bezirks eine nicht zu verkennende Stammesverschiedenheit bis auf den heutigen Tag erhalten. Es ist nicht die zwischen dem schwäbischen und fränkischen (Pfälzer) Stamm, welche hier sehr verschmolzen sind, sondern zwischen dem germanischen und romanisch-keltischen Stamm. Der letztere findet sich unter den in den Oberämtern Calw, Leonberg und Maulbronn zerstreuten Nachkommen der zu Ende des 17. Jahrhunderts nach Württemberg eingewanderten Waldenser Gemeinden, welche aus jenen westlichen Alpenthälern Piemonts (zwischen dem Monte Génèvre und Monte Viso) herüber kamen, wo französische und italienische Bevölkerung sich vermischt und durchdrungen hatte. So vielfach die körperliche Stammesart durch fast 200jähriges Zusammenleben mit den deutschen Einwohnern sich modificirte und der einheimischen sich näherte, so hat sie sich doch noch nicht völlig verwischt, sie tritt vielmehr in manchen Familien jener

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0062.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)