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sogenannten „Farbhaus“ unter dem Namen „Schmidtische Gesellschaft“ ein ausgedehntes Zeugfabrikationsgeschäft errichteten. Als dasselbe sich auflöste, setzten viele der Arbeiter, welche sie außer dem Hause hatten weben lassen, sog. Façonmeister, das Zeugmacherhandwerk für eigene Rechnung fort und brachten es bald zu großer Bedeutung. Ums J. 1790 zählte man 100 Meister mit 140 Stühlen, worauf jährlich etwa 1200 Centner Wolle verarbeitet und ein Umsatz von 150.000 fl. erzielt wurde. Die Waare wurde zum größten Theil auf Messen und Märkten nach Baden, Bayern, der Schweiz, ins Elsaß u. s. w. abgesetzt; Handlungshäuser in Samaden und Poschiavio versandten sie in großen Quantitäten nach Italien. Zu Anfang des laufenden Jahrhunderts verdrängte jedoch die, ungleich billigeren Stoff liefernde Fabrikation von Baumwollgeweben die Zeugfabrikation sehr rasch. Die Strumpfwirkerei wurde von Calw hieher verpflanzt, in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zählte die Zunft 80 Meister und viele Façon- oder Stückmeister in Balingen und den umliegenden Orten, namentlich in Thailfingen, welche alle für hiesige größere Meister und Fabrikanten arbeiteten. Es waren über 300 Strumpfweberstühle im Gange, wurden 1200 Ctr. inländische auch mehrere Centner ausländische Wolle verbraucht und mehr als 150.000 fl. im Jahr umgesetzt. Hauptabsatzort war seit 1780 die Frankfurter Messe, allein auch Oberschwaben, der Schwarzwald, Bayern, Hessen und Pfalz und seit dem J. 1800 die Schweiz, selbst Holland waren Absatzgebiete. In letzteres Land wurden namentlich Kamm- und Halbkammgarn- (Sayette-) Strümpfe in großen Quantitäten versandt. Dieses Exportgeschäft erhielt sich bis Anfangs der 40er Jahre in ungeschwächtem Umfang, ja ist noch heute, wenn auch nicht mehr speziell in Strümpfen, von größerem Belang. Neben obigen Hauptindustriezweigen kamen insbesondere im vorigen Jahrhundert noch in Betracht: die Gerberei, deren Produktion von 26 Roth- und 8 Weißgerbern betrieben und deren auswärtiger Verdienst auf etliche 30.000 fl. des Jahrs geschätzt wurde, die Hutmacherei, die 1790 12 Meister zählte, namentlich nach der Schweiz die sog. Kastorhüte ausführte und von hier über 15.000 fl. jährlich einbrachte, die Bortenmacherei, welche im J. 1790 24 Meister zählte und ihre Waare fast ausschließlich auf den Schwarzwald verkaufte, die Hafnerei mit 15 Meistern, die Schuhmacherei mit 90 Meistern. Von diesen 5 Gewerben sind das 3. und 4. der Zeit zum Opfer gefallen, das 1. und 2. stehen nach vorübergehendem Rückschritt

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0347.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)