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100 Schritte östlich von der Kirche, mit herrlicher Alpenaussicht, steht das hübsche, 1840 erbaute Pfarr- und Schulhaus, welches die Wohnung des Pfarrverwesers, 2 Lehrzimmer und die Wohnung des einen der beiden Schullehrer enthält. Es ist wie die Kirche von der Gemeinde zu unterhalten.

Das Rathhaus wurde 1843 erbaut und ist mit 2 Schafställen verbunden. Auch ein Armenhaus ist vorhanden.

Die Vizinalstraße von Ebingen nach Gammertingen führt am Ort vorüber.

Die ganze Markung besitzt keine Quelle und man ist auf Zisternenwasser angewiesen, das von ziemlich guter Qualität ist. Man holt es aus 2 Pump-, 5 Zieh- und 34 Schöpfbrunnen. Bei, übrigens selten eintretendem, Wassermangel muß das Wasser von Ebingen bezogen werden.

Die kräftigen Einwohner, von denen zur Zeit 2 das 80. Jahr erreicht haben, haben sich noch zum großen Theil Fleiß, Ordnungsliebe und Sparsamkeitssinn bewahrt. Ländliche Tracht besteht nicht mehr, dagegen wird viel Manchestersammt getragen. Die Volksbelustigung des Eierlesens kommt noch vor, und bei Hochzeiten hält der Schullehrer die Abdankung.

Die Vermögensverhältnisse sind mittelmäßig. Der Vermöglichste besitzt an Feld circa 9 ha, der Mittelmann 3, der Ärmere noch 1 ha. Auf angrenzenden Markungen besitzen die Bürger etwa 100 ha.

Obwohl vorherrschend Landwirthschaft treibend, ist die Gemeinde auch in gewerblicher Beziehung beachtenswerth. In früherer Zeit blühte der Vieh- und Pferdehandel und ein mit gutem Erfolg betriebener Handel mit Mühlsteinen nach Oberschwaben und der Schweiz. Derselbe hat inzwischen mit der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes aufgehört. Dagegen haben seit Anfang der 1830er Jahre andere, meist jetzt noch bestehende Erwerbszweige Eingang gefunden.

Im Jahr 1834 wurde eine Schwarzwälderuhrenfabrik errichtet, bald aber in eine Feinmechaniker-Werkstätte umgewandelt, welcher bald noch mehrere andere folgten. Im Jahr 1860 wurde die Brillenfabrikation und die Wasserwagenfabrikation eingeführt, wozu sich später die Schraubenfabrikation und in neuerer Zeit die Korsettschloß- und Charniernadel-Fabrikation gesellten. Erstere Industriezweige versenden ihre Fabrikate über ganz Deutschland, letztere beschäftigt zur Zeit in einem Etablissement 25–30 Arbeiter mit 24 hiezu eigens von dem Geschäftsinhaber,

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0303.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)