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kommen nicht selten krebsige Entartungen vor, namentlich bei Frauen als Brust- und Gebärmutterkrebs.

Was endlich den psychischen Charakter der Bewohner anbelangt, so ist derselbe im Allgemeinen gut; die da und dort noch auffallende Derbheit wird durch geraden und biedern Sinn weit aufgewogen, und gehören Fleiß, Sparsamkeit, Nüchternheit und religiöser Sinn zu den hervorstechenden Eigenschaften.


II. Charakter der Bevölkerung.[1]

Der Volkscharakter ist im Allgemeinen der schwäbische mit seinen Schatten- und Lichtseiten. Schwerfällig und derb im Verkehr mit der Außenwelt, bedarf es einiger Zeit, um unter dieser rauhen Decke das weiche und reiche Gemüthsleben zu finden, das nach schwäbischer Art eher verborgen als geoffenbart wird. Geduldige Ausdauer bei harter Arbeit und schmalem Brot, Sparsamkeit und Anspruchslosigkeit sind schätzenswerthe Eigenschaften der Bewohner, wobei es freilich an schlimmen Ausnahmen nicht fehlt bei Individuen, welche vom Branntwein vergiftet sind. Vorherrschende Mittelmäßigkeit des Besitzes und häufige Armut geben dem Bezirk ein poesieloses realistisches Gepräge. Viele Mißernten und Hagelschläge haben leider fast bis zum letzten Rest ausgetilgt, was Gustav Schwab in seiner Beschreibung der schwäbischen Alb (1823) rühmt: „was beim Eintritt in das Eyachthal den Wanderer angenehm überrascht, ist der schöne und dabei feine Menschenschlag, besonders des weiblichen Geschlechts, und die allerliebste Tracht, die der berühmten Steinlacher nichts nachgibt.“ Die städtische Tracht, die scheinbare Wohlfeilheit der modernen Stoffe haben die originelle theure aber haltbare Tracht verdrängt und nur wenige alte ehrbare Großmütter lassen sich nicht beirren und bleiben bei dem angestammten Kleide. Harte Arbeit der Weiber und rauhe Kost, meist Kartoffeln, Kraut und Milch, weniger Mehl und Fleisch, lassen oft nur zu bald die natürliche Blüte des Daseins verwelken und schon Kinder vom 10.–14. Jahre zeigen die Spuren der Anstrengung. Volle frische Gesichter wie Milch und Blut sind nicht häufig. Luft, Licht und Wasser der Gegend tragen daran keine Schuld, denn sie sind meist gut und reichlich vorhanden. Reinlichkeit und Sauberkeit an Leib und Seele werden


  1. Von Pfarrer Th. Hartmann in Frommern.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)