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Hinsichtlich der kirchlichen Verhältnisse Murrhardts, soweit dieselben nicht im Verlauf der Geschichte des Klosters dargestellt werden, ist folgendes hervorzuheben.

Seit unvordenklichen Zeiten erscheinen in Murrhardt zwei Kirchen, die Klosterkirche und die Walderichskirche, eine dritte Kirche bestand hier nie. Die Klosterkirche wurde der Gemeinde erst in Folge der Reformation zur Benützung überlassen, allein bis zum Jahr 1867 hatte dieselbe nur das Gastrecht allda. Hingegen gehörte die Walderichskirche von jeher der Gemeinde, sie wurde auch nach der Reformation während des dreißigjährigen Krieges eine kürzere Zeit wieder als evangelische Pfarrkirche benützt (s. unt. S. 255), heutzutage dient sie zu Leichengottesdiensten und am Charfreitag zur Predigt. Sie ist die ecclesia parochialis sanctae Mariae virginis, in welcher i. J. 1520 Abt Oswald und Convent, sowie die Einwohner von Murrhardt die schon in älterer Zeit zum Zweck von Todtenfeiern für die Verstorbenen gestiftete Sebastiansbrüderschaft wieder erneuerten und vermehrten.[1]

Da der erste evangelische Abt Hofseß nicht predigen konnte, so wurden ein Stadtpfarrer und ein Diakon angestellt. Von 1574–1634 versahen die evangelischen Äbte die Stadtpfarrstelle, von 1634–1649, wo das Kloster in katholischen Händen war, blieb sie unbesetzt, von 1649–1671 waren wieder eigene Stadtpfarrer, ebenso von 1706–1711 (weil die Abtsstelle solange nicht besetzt war), sonst aber versahen die Äbte diese Stelle. Der erste Diakon war zugleich Pfarrer von Fornsbach, der zweite, dessen Stelle 1628 errichtet wurde, Präceptor an der lateinischen Schule der Stadt. Als diese letztere i. J. 1807 aufhörte, Sitz eines evangelischen Prälaten zu sein, wurde eine eigene Stadtpfarrei errichtet, neben welcher noch ein Jahr lang ein Diakonat fortbestand, mit dem das Lehramt an der lateinischen Schule verbunden war. Seit 1808 wurden statt des Diakones dem Stadtpfarrer ein oder zwei Vicare beigegeben, die Schule aber durch einen besonderen Lehrer versehen, der nicht gerade Theolog sein mußte. Im J. 1822 wurde wieder ein Diakonat errichtet, seither bestehen die Stadtpfarrei und das Diakonat neben einander und der Stadtpfarrer ist zugleich Pfarrer von Fornsbach. (Vgl. Binder 136 ff.)

Die Parochie ist eine sehr umfangreiche; es gehörten in sie sämtliche jetzige Filialen, soweit die Kirchenbücher zurückgehen, d. h. bis zum Jahr 1618, und sie selbst nicht neueren Ursprungs sind.


  1. Das Gesuch, welches Abt und Convent, sowie die Parochianen von Murrhardt den 2. Juli 1520 wegen der Bestätigung dieser Neustiftung an den Bischof Konrad von Würzburg richteten, befindet sich im Original im Archivconservatorium zu Würzburg, in Abschrift im kgl. Staatsarchiv.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/245&oldid=- (Version vom 1.8.2018)