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sich aber der Custos des Stifts Hans Aschmann flüchtig, und sofort erließ Herzog Ulrich aus Argwohn, er möchte mit Wissen der anderen Stiftsangehörigen etwas bei Seite geschafft haben oder sonst Schlimmes im Sinne führen, den Probst und einige andere Stiftsverwandte, den Chorherrn Thomas Haas, den Pfarrer Joh. Sigloch und den Diener des Probsts gefangen setzen, von dem Stifte, in welchem Michel Angelberger zum letzten Male die Messe hielt, und von dessen Vermögen Besitz nehmen, setzte übrigens einen Chorherrn, Albrecht Schultheiß, zum Verwalter und Rechner. Jene Gefangenschaft dauerte jedoch nicht sehr lange, denn den 16. Juni 1537 wurde der Probst vom Herzoge in der Weise verleibdingt, daß er von des Stifts Einkommen jährlich 84 Gulden, 39 Malter Roggen, 105 M. Dinkel, 60 M. Haber, 4 Fuder Wein, eine Anzahl Fische, dazu seine Behausung, Wiesen und Garten, wie er es bisher genossen, eine ziemliche Beholzung, seinen Antheil am kleinen Zehenten, 1 Malter Gerste und 2 Fuder Stroh erhielt, während die Chorherren im Allgemeinen die Hälfte, die Vicarien ein Viertel seines Leibgedings bekamen. Dafür aber mußten der Probst und die anderen Gefangenen dem Herzoge Urpheden und Verschreibungen ausstellen, wonach sie insbesondere ohne sein Wissen das Land nicht verlassen wollten, und sich hiefür mit ihrem Leib und aller ihrer Habe unter Stellung von Bürgen verbindlich machen. Übrigens befanden sich i. J. 1549 nur noch der Probst und drei Chorherren am Leben, die Vicarien waren sämtlich gestorben.

Nach der Anordnung des Interims durch K. Karl V. wurden schon mit Herzog Ulrich, welcher durch einige kaiserliche Schreiben noch besonders gemahnt worden war, Verhandlungen über die Wiederherstellung des Stifts geführt, allein erst nach seinem Tode setzte Herzog Christoph den Probst und die Stiftsherren wieder in die geistliche und weltliche Verwaltung des Stiftes und in ihre Pfründen ein, nachdem er den 5. December 1550 sich mit ihnen in der Weise verglichen hatte, daß sie dem Interim gemäß sich halten, ihn als Lehensherrn, Patron, Kastenvogt und Landesfürsten anerkennen und wegen der in der Zwischenzeit vom Stifte veräußerten Güter keine Ansprüche erheben wollen. Am Christtag hielt der genannte Angelberger wieder die Messe. Die wenigen übrig gebliebenen Stiftsherren glaubten übrigens die verschiedenen dem Stifte obliegenden Amtsverrichtungen nicht versehen zu können, weßhalb der Probst sich selbst nach Stuttgart begab, um über die Wiederbesetzung der offenen Stellen zu verhandeln, allein im Mai 1551 daselbst starb. Darauf setzte H. Christoph den Grafen Johann Christoph von Zimmern, Domdechanten zu Straßburg, Chorherrn zu Speier und Köln, welcher bei ihm großes Vertrauen genoß, zum Probst und bestellte ihn als herzoglichen Rath, wofür derselbe sein Kanonikat zu Köln aufgab.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)