Der moralische Charakter der Bezirksbewohner ist im Allgemeinen gut; Fleiß, Sparsamkeit und religiöser Sinn wird sehr häufig getroffen. Die Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, während einzelne Orte, wie Rothenzimmern, Brittheim, Busenweiler, Dürrenmettstetten, Fürnsaal, Holzhausen, Leidringen, Mühlheim und Weiden in günstigen Verhältnissen sich befinden.
Die Lebensweise der Bevölkerung ist im Allgemeinen eine ziemlich einfache. Die Hauptnahrung der unbemittelten Klasse bilden Kartoffeln, Habermus, Kraut, Mehlspeisen etc.; Vermöglichere genießen ziemlich viel Fleisch und in den dem Schwarzwald nahe gelegenen Orten geräucherten rohen Speck. Die Getränke sind Wein, Bier und Branntwein, seltener Most.
Eigenthümliche Gebräuche und besondere Volksbelustigungen nehmen auch im diesseitigen Bezirk immer mehr ab, jedoch etwas langsamer als in dem Unterlande. Der Tanz bei Märkten, Hochzeiten und Kirchweihen ist noch ziemlich allgemein und in Leinstetten wird derselbe an Fastnacht und Kirchweihe immer auf 2 Tage ausgedehnt. Bei Hochzeiten und Taufen wird häufig geschossen, besonders in den Orten Aisteig und Weiden; daselbst liefert der Bräutigam das Pulver zum Schießen und bei Taufen ist die Gevatterin verpflichtet, den schießenden Burschen einen Trunk zu bezahlen. Auch in der Neujahrsnacht schießen in einzelnen Orten die ledigen Bursche den Mädchen das Neujahr an; diese kommen alsdann am Neujahrs-Nachmittag mit den Burschen im Wirthshaus zusammen und regalieren sie mit Bier oder Wein. In Fürnsaal findet bei Taufen noch der Taufschmaus statt, an dem aber nur die bei der Taufe functionirenden Personen Theil nehmen. Die Hochzeiten werden als sog. Zechhochzeiten zuweilen noch solenn gefeiert, dabei tragen die Brautjungfern in manchen Orten, wie in Aistaig, Weiden, in den Mühlbachorten etc. die goldenen Schappeln, eine kronenartige Kopfbedeckung, die junge Mädchen sehr gut und feierlich kleidet. Auch bei Taufen wird von ledigen Gevatterinnen die sogenannte Schappel getragen.
Bei Leichenbegängnissen werden von der Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen und während der Zug sich zum Gottesacker bewegt, wie während der Einsenkung des Sargs, geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters gesungen; Leichentrunk und Leichenmahl gehen allmählig ab.
Früher bestand der sog. Pfingstritt in der Oberamtsstadt wie auch in mehreren andern Orten; dabei ritten die ledigen Bursche an dem Pfingstmontag mit bloßem Degen um das Rathhaus und führten
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Sulz. Karl Aue, Stuttgart 1863, Seite 042. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Sulz.djvu/042&oldid=- (Version vom 1.8.2018)