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eine bedeutende Fruchtbarkeit, welche sich besonders in den armen Gemeinden (Bernbach, Dobel, Herrenalb) stark äußert, ist der jährliche Überschuß der Geburten über die Sterbfälle bedeutend, es verhielten sich in den letzten 5 Jahren die letzteren zu den ersteren = 3677 : 5162 oder = 100 : 132.

Der Volkscharakter ist im Allgemeinen gut und spricht sich durch Rechtlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Sinn für Religion vortheilhaft aus; obgleich nicht verschwiegen werden darf, daß die alte Biederkeit durch den lebhaften Handel mit Holz und anderen Erzeugnissen, überhaupt durch den Verkehr mit dem Auslande einer gewissen Abgeschliffenheit, die zuweilen in Verschlagenheit ausartet, theilweise Platz gemacht hat. Auch zunehmende Armuth hat allmälig auf die Sittlichkeit einen ungünstigen Einfluß geäußert.

Die Nahrung der Einwohner besteht hauptsächlich in Kartoffeln, Sauerkraut, Blätterkohl, Haferbrei, Schweinefleisch; namentlich gilt ein Stück geräucherten Specks mit Roggenbrod für ein treffliches Mahl. Von Getränken wird Wein, mehr aber Branntwein, Heidelbeergeist (Hobeerschnaps) genossen.

Eigenthümliche Sitten und allgemeinere Volksbelustigungen werden allmälig seltener, auch der früher häufig übliche Tanz beschränkt sich in neuerer Zeit auf Kirchweihen, Hochzeiten und Märkte. Die Hochzeiten werden in den meisten Orten noch auf eine solenne Weise abgehalten; sie sind sogenannte Zechhochzeiten und dauern zuweilen 2–3 Tage. Ein Hochzeitlader ladet die Gäste in der ganzen Umgegend zur Hochzeitfeier, an der sie zahlreich, ihre Gaben mitbringend, erscheinen. Am Tage der Hochzeit ziehen die Hochzeitgäste mit dem Brautpaar an der Spitze und voran die Musik in die Kirche, in welche die Brautleute von dem Schulmeister geführt werden. Nach der Copulation geht der Zug wieder mit Musikbegleitung in das betreffende Wirthshaus, wo entweder in demselben oder vor dem Hause der Schulmeister eine Rede hält, wofür er ein Nasetuch bekommt. In Filialorten, wie z. B. in Waldrennach begleitet die Musik den zur Kirche gehenden Brautzug bis vor den Ort hinaus und holt ihn dort wieder ab; in Waldrennach und einigen andern Waldorten wird am Morgen der Hochzeit die ledige Jugend mit Musik abgeholt und versammelt sich alsdann im Hause der Braut zu der sogenannten Morgensuppe, wo gebackene Küchlein etc. gereicht werden. Bei der Eröffnung des Hochzeitstanzes erhält derjenige ledige Bursche, welcher den ersten Tanz mit der Braut macht, ein Tüchlein. Während des Zugs nach und aus der Kirche, und bei Hochzeiten und Taufen wird häufig noch geschossen. In Feldrennach besteht noch die

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neuenbürg. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 044. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Neuenbuerg_044.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)