Seite:Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898.pdf/10

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

Neben seiner praktischen Bautätigkeit war Moller auch bahnbrechend durch Herausgabe eines vorzüglichen Werkes über mittelalterliche Architektur, in welchem er seine eingehenden Studien über altdeutsche Baudenkmäler niederlegte. Er publizirte darin zum ersten Male eine Reihe alter Baurisse, wie es auch seinem Scharfsinne zu verdanken ist, dass der Originalriss des Kölner Domes als solcher erkannt und gerettet wurde. An all’ diesen anregenden Studien liess er den jungen Neffen teilnehmen und förderte damit eine Seite in ihm, die sich später mehr und mehr zu seiner Haupttätigkeit entfalten sollte. Dankbar erkannte auch Gladbach die grosse Anregung an, die er in jener Zeit von seinem Vetter, Fritz Hessemer, erfahren. Er durfte ihn oft auf seinen Reisen begleiten und erhielt von ihm einen vorzüglichen Unterricht im Zeichnen nach der Natur.

In diese Jahre fällt auch die erste Publikation Gladbachs. In seiner freien Zeit zeichnete er eine Reihe Ansichten von Darmstadt, welche er mit Hülfe der Kupferstecher Rauch auf Kupfer radirte und an den Buchhändler Leske verkaufte. Ein Abdruck wurde von ihm als Modell in Wasserfarben vorgemalt, worauf Leske die einzelnen Blätter von Fabrikmädchen nach diesem Muster aquarelliren liess.

Die Folge dieser Blätter war ein schöner Auftrag des Engländers Knight. Gladbach musste für ihn Ansichten aus Mannheim, Wiesbaden, Boppard, Speier und Worms zeichnen und namentlich die Dome der letztern Orte aufnehmen. Die Blätter selbst wurden von Kupferstecher Snell radirt und einzeln in den Handel gebracht.

Nach beendigter Lehrzeit riet Moller seinem Neffen, die Universität Giessen zu besuchen, um sich hier für das Staatsexamen in Sprachen und Hülfswissenschaften auszubilden. Die Mutter beschaffte durch Anleihen die nötigen Geldmittel, und nun begannen die Wanderjahre. In Giessen hörte er Chemie bei Liebig und Mathematik bei Umpfenbach, siedelte aber später nach Heidelberg über, wo namentlich sein berühmter Landsmann Gervinus einen grossen Einfluss auf ihn ausübte. Durch diesen wurde er auch bei dem Historiker Schlosser eingeführt, für welchen er zeitlebens grosse Verehrung bewahrte und dessen Weltgeschichte er bis ins höchste Alter immer wieder mit grösster Begeisterung las.

Nach glücklich bestandenem Staatsexamen kam er als wohlbestellter Accessist zuerst nach Bensheim an der Bergstrasse, wo er «hauptsächlich das Rauchen erlernte und seitdem höchst eifrig betrieb», später aber nach Nidda zu dem vortrefflichen Kreisbaumeister Ritter. Drei Jahre verbrachte er hier in anregender Tätigkeit, wobei er in erster Linie bei dem Ausbau des Kurbadehauses Salzhausen beschäftigt war. In der Familie seines Vorgesetzten fand er dabei sehr liebevolle Aufnahme und lernte in der

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)