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Hermann Knothe: Das Landeswappen der Oberlausitz

dass es zu jener Zeit derartige Stadtwappen noch gar nicht gab, dass auch die Siegel der Landesherren damals noch keineswegs die Wappen sämmtlicher ihnen gehöriger Länder enthielten, bedarf hier wohl nur der Erwähnung, nicht erst des ausführlichen Beweises.

In Wirklichkeit erscheint erst fast dreihundert Jahre später die Bautzner Zinnenmauer zu allererst auf zwei Siegeln des jungen Prinzen Wenzel von Böhmen. Im Jahre 1363 hatte Kaiser Karl IV. die Markgrafen Ludwig und Otto von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach genöthigt, seinen damals einzigen Sohn Wenzel „zu ihrer Brüderschaft und Erbschaft anzunehmen“, so dass derselbe von nun an schon Markgraf zu Brandenburg und zu (Nieder-) Lausitz heissen und auch die Wappen und Zeichen dieser Länder sollte führen dürfen. Unmittelbar darauf sicherte der Kaiser diesem seinem Sohne auch die Nachfolge auf dem böhmischen Throne, indem er ihn noch bei eignen Lebzeiten zum künftigen Könige von Böhmen krönen liess. Als äusseres Zeichen dieser so erlangten Würden und Anrechte erhielt nun der junge, damals zweijährige Prinz auch ein besonderes Siegel. Dasselbe stellt ihn dar auf dem Throne sitzend, umgeben von sieben in einen Kreis gestellten Wappenschilden der ihm einst zuständigen Länder, nämlich Böhmen, Luxemburg, Schlesien, Mähren, Oberlausitz, als seiner Erbländer, sowie Brandenburg und Niederlausitz, auf welche er soeben von den Wittelsbachern die Anwartschaft erlangt hatte. Der auf die Niederlausitz bezügliche Wappenschild (der unterste) zeigt den gehenden Ochsen, der auf die Oberlausitz bezügliche (rechts daneben) zwei blosse Zinnen, eigenthümlich genug ohne Mauer. Die Umschrift lautet: Wenceslaus quartus dei gracia Boemie rex, Brandenburgensis et Lusacie marchio, Luczenburgensis et Slesie dux.[1]


  1. Vgl. hierüber die Abhandlung des preussischen Ministers von Herzberg: Von den alten Siegeln der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, in den Memoires der kgl. Akademie der Wissenschaften [99] zu Berlin VIII. und deutsch bei Gercken, Codex diplom. Brandenb. III, 13 fgg. Das Siegel abgebildet daselbst auf Tafel II No. 6. Von uns befreundeter Seite ist diese Abbildung nochmals mit dem Originalsiegel an einer Urkunde von 1364 im preussischen Geheimen Staatsarchiv verglichen und als völlig richtig befunden worden.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Knothe: Das Landeswappen der Oberlausitz. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Alterthumskunde. Dritter Band, Zweites Heft. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Dresden 1882, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuesarchivfur03sach.djvu/106&oldid=- (Version vom 14.12.2022)