Unbekannt: Ueber die Gemäldeausstellungen der Akademie der bildenden Künste in Dresden, in den Jahren 1769 und 1770 | |
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diesesmal schien er mit Jan Lievens um die Wette geeifert zu haben. Wir dürfen des letztern Vorstellung des erweckten Lazarus, wo man nur dessen aus dem Grabe erhobenen Hände wahrnimmt, den auswärtigen Liebhabern in Erinnerung bringen, um ihnen ungefähr einen Begriff zu machen. Doch war die Stellung der Personen, die um das Grab stehen, ganz verschieden: billig aber nahm der Heiland, dem Auge des Zuschauers entgegen, den vornehmsten Platz ein. Vielleicht würden einige nicht mißvergnügt gewesen seyn, erinnerte mein Freund, wenn uns Herr Dietrich etwas mehreres vom Lazarus gezeigt hätte: man hätte alsdann an der Figur, die der Gegenstand des Wunders eigentlich ist, so viel mehr von der Hand, oder welches eben so viel gesagt ist, von dem markigten Pinsel eines Dietrichs gesehen, der die historischen Gegenstände in dieser Manier vollkommen und fast vorzüglich in seiner Gewalt hat.
Herr Roos hat zwar nur Ein Bild geliefert, aber eine so viel schönere gebürgische Landschaft, mit einem Wasserfalle und darneben ruhenden Heerden. Der Wasserfall stürzt rechter Hand (des Zuschauers) aus dem Felsen herab, und umströmt den Mittelgrund, auf welchem ein schwarzer Stier sich herausnimmt. Auf den Vorgrunde linker Hand ruhen zwey Schaafe. Die eröffnete Aussicht zwischen beyden Gründen errathen diejenigen, die des Herrn Roos Arbeit kennen, und vielleicht würde es nicht übel gethan seyn, wenn er durch mehrere Mannichfaltigkeit in Behandlung
Unbekannt: Ueber die Gemäldeausstellungen der Akademie der bildenden Künste in Dresden, in den Jahren 1769 und 1770. Dyckische Buchhandlung, Leipzig 1772/1773, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neue_Bibliothek_der_sch%C3%B6nen_Wissenschaften_Akademieausstellungen_Dresden_1769_1770.djvu/9&oldid=- (Version vom 27.10.2024)