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Wachsender Antisemitismus.
Wachsende Verfolgungen.


Dieser Zustand änderte sich mit dem stärkeren Hervortreten der Nationalitätenfrage. Die allgemeine tatsächliche, größere oder geringere Rechtlosigkeit der Masse aller Untertanen in der Vergangenheit wurde mit dem Heraufkommen der Neuzeit differenziert; blieben auch alle zunächst rechtlos, so bildeten sich doch stärkere Unterschiede heraus, und jene von abweichender Religion, abweichenden Sitten und abweichender Sprache, also Deutsche und Juden vor allem, die geistigen Anreger in diesen Gebieten, werden stärker und stärker zurückgedrängt, bis aus diesem wachsenden Gegensatz sich schließlich Abneigung und Feindschaft und Verfolgung entwickelt.

Hinzu kam, daß die Juden, die im Osten auf wirtschaftlichem Gebiet willkommene Anreger gewesen waren, in dem Augenblick als lästige Konkurrenten empfunden wurden, da die einheimischen Volksmassen sich fähig hielten oder wähnten, die Funktionen der Juden im Wirtschaftsleben zu übernehmen, ein Verlauf, der sich vielerorten wiederholte, und natürlich auch dann, wenn es sich nicht um Juden handelte.

Je unfreier und politisch zurückgebliebener aber ein Land war, um so rücksichtsloser setzte die Reaktion und die Repression gegen die Juden ein und zwar überall auf der Welt; in dem zaristischen Rußland, das auch die westlichen Randgebiete inzwischen politisch aufgesogen hatte, natürlich gleichfalls; und vor

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Paul Nathan: Das Problem der Ostjuden. Philo Verlag und Buchhandlung GmbH, Berlin 1926, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nathan-Das_Problem_der_Ostjuden_(1926).djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)