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zusammenwuchsen. Es ist daher nicht zu verwundern, dass es den Sikhs bald gelang auf den Trümmern des muhammedanischen Reiches ein eigenes Reich im Norden Indiens zu gründen, das nach kurzer Blüthezeit wieder von dem britischen Löwen verschlungen worden ist, weil die Sikh Religion nicht dazu angethan war, das Volk für ein geordnetes Staatsleben heranzubilden.

Seit der Vernichtung der Sikh Herrschaft ist der Sikhismus entschieden im Niedergang begriffen und manche Sikhs kehren stillschweigend in den Schooss des alten, zähen Hindūismus zurück, der auch diesen Reformversuch zu überleben alle Aussicht hat. Eine Religion, die sich zulezt allein auf das Schwert stüzte und nur an die kriegerischen Leidenschaften einer raubsüchtigen Bevölkerung appellirte, musste in sich zusammenfallen, sobald sie durch das Schwert überwunden war. Das allmählige Verschwinden der Sikhs erklärt sich auch aus dem Umstande, dass die Kaste, obschon durch Gōvind Singh formell abgeschafft, mit all ihren Vorurtheilen in den alten Khatrīs und besseren Familien doch noch fortlebt und sie wieder dem Hindūismus zuführt, sobald ihre Interessen es erheischen. Bis auf Gōvind Singh war eigentlich ein religiöser Antagonismus zwischen Hindūs und Sikhs nicht vorhanden, so lange die Kaste noch Geltung hatte und die Brāhmaṇen Hauspriester waren. Erst Gōvind Singh trennte seine Schüler völlig ab und lehrte sie den Brāhmaṇen wie den Mullā hassen, konnte aber mit diesen Neuerungen nie durchdringen, die nur dem gemeinen Volke angenehm waren, die höheren Classen dagegen abstiessen. Mit dem Aufhören der Verfolgungen von Seiten der Muhammedaner und der Einführung religiöser Freiheit für jeden ist der religiöse Enthusiasmus der Volksmassen sehr gesunken und die materiellen Interessen treten auch hier, seit Sicherheit für Leben und Eigenthum geboten ist, in den Vordergrund. Einzelne fanatische Ausbrüche (wie die Kūkā Bewegung) können zwar wohl temporär die Köpfe des gemeinen Volkes noch erhizen, werden aber von den besizenden und höheren Classen der Gesellschaft mit Verachtung

zurückgewiesen. Zur Hebung des Volkscharakters hat die Sikh Religion

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E. Trumpp: Nanak, der Stifter der Sikh-Religion., München 1876, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nanak_der_Stifter_der_Sikh-Religion.djvu/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)