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Bis auf Arjun, den fünften Guru, waren die Sikhs eine wenig zahlreiche und wenig beachtete Gemeinschaft gewesen, Arjun aber gab ihnen nun, nachdem sein Vater ihnen schon einen sichtbaren Centralpunkt ihrer Religionsübung verschafft hatte, durch Sammlung der Schriften seiner Vorgänger, denen er seine eigenen, überaus zahlreichen Compositionen, sowie Auszüge aus den Schriften der früheren Bhagats, besonders Kabīr’s, beifügte, auch einen religiösen Codex, der schlechthin Granth (ग्रन्थ) oder Bibel genannt wurde. Dieses bildete nun fortan das Lehr- und Erbauungsbuch der Sikhs, und verdrängte nach und nach die Auctorität der Vīdas und Purāṇas, welche die ungelehrten Leute ohnehin nicht lesen noch verstehen konnten, während das Granth in ihrer Muttersprache zu ihnen redete. Aber Arjun traf noch eine andere Einrichtung, die für die Organisation der Sikh Gemeinschaft von der grössten Wichtigkeit war. Bisher bestanden die Einkünfte der Gurus nur aus gelegentlichen Geschenken, welche die Schüler freiwillig darbrachten, Arjun aber stellte eigene Agenten (sogenannte Masands[1]) auf, die von jedem Sikh nach seinen Mitteln eine kleine Steuer für den Unterhalt des Guru und die Besorgung der Gemeinschaftsangelegenheiten einhuben. Dadurch wurde der Guru auf der einen Seite in den Stand gesezt, einen Hof zu machen und immer eine Schaar von Anhängern um sich zu halten, auch durch die bedeutenden Geldmittel, die ihm zu Gebote stunden, seinen Einfluss, wo es nöthig schien, geltend zu machen, andererseits wurden die Sikhs dadurch an eine Art eigener Regierung gewöhnt und begannen sich als eine festgeschlossene und darum mächtige Parthei im Staate zu fühlen. Dieses Institut, so nüzlich es in politischer Hinsicht war,

führte jedoch bald zu schweren Erpressungen, so dass der lezte

  1. Nach dem Dābistān (II, p. 271) ist das Wort eine Corruption von [مََسْنَد] (oder richtiger [مُسْنَد] eine Stüze, auf die man sich lehnt, oder eine Person, auf die man sich stüzt; im Indisch-Persischen im Sinne von „Stellvertreter“ gebraucht. Diese Bedeutung fehlt in Shakespear’s Hindūst Distionary.
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E. Trumpp: Nanak, der Stifter der Sikh-Religion., München 1876, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nanak_der_Stifter_der_Sikh-Religion.djvu/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)