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sezender und nach freiem Willen handelnder Geist sein kann, scheint ihm nicht in den Sinn gekommen zu sein. Nach den stärksten pantheistischen Definitionen wird Gott wieder als Persönlichkeit gefasst, der alles lenkt und regiert und bis ins kleinste erhält und zu der sich der Mensch in ein persönliches Verhältniss zu sezen sucht. Dieser Widerspruch geht durch das ganze System hindurch; es ist eine natürliche Reaction des Herzens gegen den Kopf, so lange es noch das Bedürfniss nach persönlicher Gemeinschaft mit einem göttlichen, über ihm stehenden Wesen in sich trägt. Es ist ein pantheistischer Theismus, an dem bald die eine, bald die andere Seite stärker hervorgekehrt wird, ohne den inneren Widerspruch vermitteln zu können.

Es wäre nun ganz unrichtig anzunehmen, wie manche gethan haben, dass Nānak auf Grund der Einheit des göttlichen Wesens allen und jeden Gözendienst verworfen habe. Dem ist keineswegs so. Er hat sich mit der Volksreligion nicht in Widerspruch gesezt, vielmehr das ganze Hindū Pantheon mit herübergenommen, nur dass es dem Brahm, als dem Urgrunde, untergeordnet wurde. Die Anbetung der Volksgötter wurde nicht direct verworfen, aber sie erhielten eine untergeordnete Stellung, die ihre Göttlichkeit und Macht einschränkte, ihren Dienst daher als minder wichtig, ja für die Erreichung des höchsten Zieles der Menschheit, als nuzlos erscheinen liess.

Es ergiebt sich von selbst aus dem bemerkten, wie unrichtig die Behauptung ist, dass Nānak den hindū und muhammedanischen Gottesbegriff zu verbinden gestrebt habe. Nānak ist nach all seinen Anschauungen durchaus ein Hindū geblieben, und wenn sich auch Muhammedaner an ihn, als ihren Guru oder Pīr angeschlossen haben, so kommt das daher, dass der Sūfīsmus, zu dem sich diese bekannten, seinem Grundwesen nach ein direct aus hindū Quellen abstammender Pantheismus war, der sich aus Indien durch die muhammedanische Welt verbreitete. Hindū und muhammedanische Pantheisten konnten sich wohl vereinigen, da sie denselben Gottesbegriff theilten und die Muhammedaner konnten das Beiwerk der

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E. Trumpp: Nanak, der Stifter der Sikh-Religion., München 1876, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nanak_der_Stifter_der_Sikh-Religion.djvu/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)