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den weissen Ameisen angefressenes Manuscript, dessen alte Schriftzüge, wie sie in dem in Kartarpur aufbewahrten, von Guru Arjun, dem Zusammensteller des Granth, unterzeichneten Exemplare vorkommen, mir sogleich auffielen. Auf dem ersten Blatte enthielt es in Sanskrit-Lettern die kurze Aufschrift नानक का ग्रन्थ जनमसाखी का (eine Schrift Nānak’s, die Geburtsgeschichte betreffend). Das Werk war, nach dem beigefügten Eintrag auf der ersten Seite, von dem berühmten H. T. Colebrooke der Bibliothek der ostindischen Company geschenkt worden, ohne dass er, wie es scheint, den Inhalt desselben kannte.

Als ich das Buch zu lesen anfing, drängte sich mir sofort die freudige Wahrnehmung auf, dass mir hier eine ganz andere Relation des Lebens Nānak’s vorlag, als ich bisher gesehen hatte. Wie die Schrift war auch die Sprache alt und in vielen Worten und Redewendungen ganz mit der Diction Guru Arjun’s übereinstimmend. Nach fortgesezter Prüfung und Vergleichung des Werkes mit den späteren Janam-sākhīs konnte ich mit Evidenz feststellen, dass wir hier die Quelle haben, aus der die andern alle geschöpft haben: denn die Erzählungen, soweit sie beiden Relationen gemeinsam sind, stimmen häufig verbatim überein, nur dass die späteren Compilationen an die Stelle alter und mit der Zeit unverständlich gewordener Worte neuere Wortformen gesezt haben. Dieses alte Janam-sākhī fällt, wie schon angedeutet, nach allen äusseren, sowie inneren Merkmalen in die letzte Zeit von Guru Arjun oder in die unmittelbar nachfolgende. Das Granth, das Guru Arjun aus den hinterlassenen Schriften seiner vier Vorgänger und der berühmten Bhagats (Frommen), sowie aus seinen eigenen überaus zahlreichen poëtischen Ergüssen zusammenstellte, wird schon durchaus citirt, jedoch noch ohne jegliche Paraphrase, während die späteren Janam-sākhīs es schon fur nöthig erachtet haben, die aus dem Granth angeführten Verse in die neuere Sprache zu übersezen.

Wir sind durch die Entdeckung dieses alten Janam-sākhī’s, das den jezt lebenden Sikhs ganz unbekannt zu sein scheint, in den Stand gesetzt, die ältere Tradition über Nānak von der späteren

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E. Trumpp: Nanak, der Stifter der Sikh-Religion., München 1876, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nanak_der_Stifter_der_Sikh-Religion.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)