Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 050.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und wußte mich als einen auf diesem edlen Felde schon ganz erfahrenen Geselle auszulassen. Das Mädchen lächelte bei diesem Allen getrost und still in sich hinein.

„Und nun, mein Kind,“ sagt’ ich zuletzt, „wie denkt denn Ihr in Eurer Einsamkeit hier oben von diesem bösen Männervolk?“

„Ich denke,“ sagte sie mit angenehmer Heiterkeit, „wie eben jede Braut es denken muß: der Meine ist, so Gott will, noch der Beste von Allen.“

Ein Donnerschlag für mich! Ich nahm mich möglichst zusammen. „Ei so?“ – rief ich lachend und fühlte dabei, wie mir ein bittrer Krampf das Maul krumm zog – „so? man hat auch schon seinen Holderstock? Das hätt’ ich Ihr nicht zugetraut! Wer ist denn der Liebste?“

„Ihr sollt ihn kennen lernen, wenn Ihr noch ein paar Tage bleibt,“ versetzte sie freundlich und ließ den Gegenstand schnell wieder fallen. Dagegen fing sie an, ausführlich von ihrem häuslichen Leben bei den zwei alten Leuten, von den letzten Bewohnern des Guts, insonderheit von einer seligen Freifrau Sophie als ihrer unvergeßlichen Wohlthäterin zu reden. Mir war längst Hören und Sehen vergangen, mir saus’te der Kopf wie im Fieber. Ach Gott! ich hatte mich den lieben langen Nachmittag an diesem braunen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)