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Friedrich Gerstäcker: Moden über die Welt. In: Fliegende Blätter. Band 18.

Welttheilen sehr viel Malerisches, besonders für die Männer, und ich habe wirklich nie im Leben einen pittoreskeren, kleidsameren Anzug gesehen, als den der Südamerikanischen Gauchos, wenn sie zu Pferde sitzen, wohin sie auch eigentlich nur gehören.

Die Füße stecken bei den gentlemen gauchos in feinen Lederstiefeln, bei den gewöhnlichen in der abgezogenen Haut eines jungen Pferdes, die Beine in weißen gestickten Unterhosen und eine cheripa – ein großes Tuch, das hinten im Gürtel befestigt, zwischen den Knieen durchgezogen und vorn wieder ebenfalls in den Gürtel eingesteckt ist, – fällt an der Seite in offenen Falten nieder. Ein breiter Ledergürtel, reich gestickt und statt der Knöpfe mit großen Spanischen Dollarn, ja bei recht reichen Gauchos sogar mit Unzen besetzt, umschließt seine Taille, und eine kurze tuchene Jacke, mit kleinen silbernen Knöpfen, schließt oben über dem feinen weißen Hemd, über das hin noch ein rothseidenes Tuch lose gebunden theils den Staub abhält, theils zur Zierrath dient; die langen schweren Sporen dabei an den Hacken, am Handgelenk die gewichtige Revenka und das oft zwei Fuß lange Messer, mit seinem Elfenbein oder Perlmuttergriff hinten im Gürtel, daß es die herumgreifende rechte Hand leicht erreichen kann, das Alles steht den schlanken, schwarzhaarigen, dunkeläugigen Söhnen der Pampas vortrefflich – wenn sie sich nur nicht, zu förmlichem Hohn des unteren Menschen einen schwarzen Cylinderhut oben darauf stülpten, und damit die ganze Poesie förmlich zum Fenster hinauswürfen.

Auch die Tracht der Mexikanischen Männer ist in der Art mit den an den Seiten aufgeschlitzten und mit silbernen Knöpfen und Hacken bedeckten Oberhosen und der buntfarbigen Serage, kleidsam und malerisch und wird durch den breiträndigen Hut auch keineswegs entstellt.

Ueberhaupt haben die Mexikaner die größte Fertigkeit ihre Seragen oder Ponchos zu weben und die feinsten, denen sie herrliche Farben zu geben wissen, und die nicht selten mit Goldfaden durchwoben sind, kosten oft bis zu drei und vierhundert Dollar das Stück.

Aber wollte ich nach all den verschiedenen Richtungen abzweigen, auf alle die Einzelheiten eingehen, ich würde nicht fertig – und noch schlimmer, ich würde langweilig und nun zum Schluß will ich noch ein paar Worte über den Moment im Leben des Wilden sagen, wo ihm die Mode zum ersten Mal dämmert und er sich dem Wahn hinzugeben beginnt, daß die Tracht, in der er bis jetzt – er fürchtet fast zum Skandal der Menschheit umhergegangen, – noch einiger Verbesserung fähig sei. Fast alle Stämme entwickeln darin, wie das ja auch sehr leicht erklärlich ist, die nämlichen Symptome, und ich bin fest davon überzeugt, daß sich unsere Vorväter, die alten biederen Cherusker und Hetrusker, ebenso linkisch benommen haben, als sie ihr Schild und ihre Streitaxt an einen Baum lehnten und in das erste paar Hosen, natürlich verkehrt – hineinfuhren, als es all die anderen Stämme noch heut zu Tage, und unter ähnlichen Verhältnissen thun.

Die Wilden sind dabei wie die Kinder, und der Beweis schon, daß ihnen all diese fremden Kleidungsstücke nicht nöthig, daß sie nur ein Bedürfniß sind, welches die weißen Männer erst nach und nach in ihnen erwecken, damit sie ihnen später desto weniger entgehen können, ist der, daß sie all derartige Sachen von Anfang an nur als eine Art von Schmuck betrachten, den sie dahin binden, wo er ihnen am besten gefällt. So habe ich einst einen Californischen Wilden gesehen, der vollkommen nackt, sich ein Vorhemdchen mit Perlmutterknöpfchen wie einen Bergmannsschurz umgebunden hatte, und der Australische Wilde, der sich aus einer Hose eine Jacke gemacht, indem er ein Loch in’s Kreuz geschnitten und den Kopf dahindurchgesteckt, ging mit seinem neuen Kleid eben so ernsthaft und gravitätisch umher, als ob er in alle möglichen unsinnigen Kleidungsstücke zum Ersticken eingezwängt, hoffähig angezogen hinter dem Stuhle eines unserer Allerhöchsten gestanden hätte.

Nach und nach erst gewöhnt er sich daran; der kleine Wilde sieht seinen Vater eine Jacke tragen und er denkt sich, gerade wie es bei uns die Kinder machen – wann Du doch auch erst ein Vater wärst und eine Jacke tragen könntest. So pflanzt sich’s von Geschlechtern zu Geschlechtern, jede Generation will ein Verdienst haben und ein Stück dazu thun, bis nachher zuletzt ein Menschenkind daraus wird, das mehr verschiedene Kleidungsstücke und Stückchen an sich trägt, als Deutschland Staaten hat.

Wir und die Wilden tragen denn auch unseren Staat und unsere Staaten mit Würde, nur daß bei den Wilden noch der natürliche Sinn zu leicht die Oberhand gewinnt, und ein paar Südseeländer, die sich unverhofft im Frack begegnen, fast

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Friedrich Gerstäcker: Moden über die Welt. In: Fliegende Blätter. Band 18.. Braun & Schneider, München 1853, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moden_%C3%BCber_die_Welt-Gerstaecker-1853.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)