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Friedrich Gerstäcker: Moden über die Welt. In: Fliegende Blätter. Band 18.

So wollen wir uns denn für jetzt auch hier nur mit dem äußeren Menschen beschäftigen, das Andere mag Jeder mit sich selber ausmachen. – „Wenn’s Herz nur schwarz ist,“ sagte ja schon jener Schulmeister, als er Sonntags mit dem himmelblauen Frack in die Kirche kam.

Sobald wir aber mit dem äußeren Menschen und seiner Urkleidung anfangen, finden wir uns in all unseren verschiedenen Moden und Sitten vollkommen gerechtfertigt, denn selbst der liebe Gott hat da geglaubt, daß ein kleiner Unterschied, der Abwechselung wegen, nicht schaden könne. Er theilte deßhalb die Menschen, nach Linné, in fünf verschiedene Raçen, und strich den einen sauber gelb, den andern schwarz, den dritten braun, den vierten weiß und den fünften olivenfarbig an.

Was für ein Sprung ist von da zu den kurzen Hosen, seid’nen Strümpfen und Goldpuder Louis Napoleons – es ist enorm.

Wir fangen aber auf die natürlichste Weise mit denen an, die sich auf unserem Sonnenstäubchen, das wir die Welt nennen, am natürlichsten und unverdorbensten gehalten haben, und das sind jedenfalls, so weit ich wenigstens das Vergnügen hatte, ihre Bekanntschaft zu machen, die australischen Wilden. Diese vor allen Uebrigen sind mit Gott Vater, was Anzug oder äußeres Aussehen betrifft, so vollkommen einverstanden, daß sie gar Nichts daran zu verbessern fanden – nur auf den Schultern und hie und da oben auf der Brust war ihnen die Haut ein klein wenig zu glatt, und sie rissen dieselbe deshalb in regelmäßigen Streifen und Punkten auf, angenehme Erhöhungen darzustellen – doch das ist eben nur Geschmackssache.

Auch in Afrika und den heißesten Strichen Amerika’s gibt es noch einige solche Völker, die sich dem anschließen; da es aber bei diesen einfach Mode ist, keine Mode zu haben, können wir uns natürlich in einem Artikel über Moden auch gar nicht mit ihnen aufhalten, und sie fangen erst dann an, für uns ein Interesse zu gewinnen, wenn sie sich vervollkommnen, d. h. dem, was wir unter Mode und mit dieser Civilisation gleichbedeutend verstehen, näher kommen.

Daß übrigens gerade die australischen Wilden dieser Cultur fähig sind, davon kenne ich mehrere, wirklich auffallende Beispiele. So habe ich in meinem Leben keinen glücklicheren, selbstgefälligeren Menschen auf der weiten Gotteswelt gesehen, als einst einen solchen Wilden in seinem Naturzustande, dem ein neckisches Menschenbild ein Paar papierne Vatermörder mit einer Cravatte und ein Paar Handmanschetten umgebunden hatte. Gerade solche Stämme wissen sogar die feineren Nüancen unserer Moden zu würdigen, und sehr häufig habe ich die schwarzen, vollkommen nackten Burschen gesehen, wie sie sich mit einer weißen Erde, die sie dort haben, an den Seiten der Beine herunter weiße Streifen malten, um, so gut es unter ihren Umständen anging, eine Art Uniform herzustellen – und nur die Alten, d. h. die Vornehmeren durften das tragen.

Ebenso erinnere ich mich noch mit Vergnügen der wahren innigen Freude, die ich zwei Stämmen derselben, einem am Murray und einem in der Torresstrait bereitete, als ich ihnen die Nasen mit Zinnober roth malte, und ein Beweis, wie sehr sie solche Auszeichnung zu würdigen wissen, war mir der, daß sie den noch Unmündigen oder solchen vielleicht, denen überhaupt nicht gestattet war, die Nationalcocarde zu tragen, die rothe Farbe auf das Sorgfältigste mit ihren Ellbogen wieder von den Nasen entfernten – da könnte Jeder kommen und einen Orden haben wollen.

Was sonstigen Schmuck, Perlen, Glas- oder andere Corallen etc. betrifft, so ist das Tragen derselben über die ganze Welt verbreitet. – Die australischen Wilden, in einzelnen Stämmen wenigstens, tragen nur etwas durch die Nasen gesteckt – unsere lieben Frauen zu Hause – und Gott segne ihre schönen Augen – tragen es nur in den Ohren – und die californischen Wilden, wie auch die meisten brasilianischen Stämme, in Ohren sowohl als Nasen, ja einzelne nordamerikanische Stämme gehen sogar so weit, daß sie sich den ganzen Ohrenknorpel bis oben hinauf durchlöchern, um Schmuck über Schmuck hinein zu hängen.

Der nächste Sprung, denn ich kann leider nur flüchtig über das Ganze hingehen, obgleich der Stoff reichhaltig genug wäre, ein Buch darüber zu schreiben, – ist nach den südseeländischen Indianern. Das Klima fordert sie auf, so wenig Umstände als möglich mit sich zu machen, nichts destoweniger veranlaßt sie ein Gefühl, das die Kirchenväter dem ersten Apfelbiß zuschreiben, ein Stück selbstgefertigtes Zeug um ihre Lenden zu schlagen.

Dies Zeug ist die sogenannte Tapa und wird aus der inneren Rinde verschiedener Bäume, besonders des Brodfruchtbaums und Banians, eine Zeitlang gegohren und dann mit

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Friedrich Gerstäcker: Moden über die Welt. In: Fliegende Blätter. Band 18.. Braun & Schneider, München 1853, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moden_%C3%BCber_die_Welt-Gerstaecker-1853.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)