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jetzt aber zur Unterbringung der russischen Gefangenen benützt. Es geht im Volk die Sage, daß Attila hier begraben liegt.

Der Tartarenhügel mit den Tartarengräbern dominiert die Stadt im Süden. An seinem Ostabhang liegt der katholische und der israelitische Friedhof, mit schönen alten Bäumen, stellenweise so überwachsen und wuchernd, daß er einem Walde gleicht. Hier haben während des Sturmes vom 4. bis zum 7. Oktober die russischen Schrapnells besonders gehaust.

Przemysl ist der Sitz zahlreicher Behörden. Der Bezirkshauptmannschaft, des Kreisgerichtes, Bezirksgerichtes, eines römisch-katholischen Bischofs, eines griechisch-katholischen Bischofs, einer Finanzbezirksdirektion und der schon erwähnten militärischen Kommanden, des Festungskommandos, eines Platz-Korps- und Divisionskommandos. Auch in Friedenszeiten ist die Garnison groß.

Die Schulen und Bildungsanstalten sind der Verschiedenheit der Konfessionen und Sprachen zufolge, die sich hier begegnen, sehr zahlreich. Hier trifft sich West- und Ostgalizien, die Polen und die Ruthenen. Die Polen, zum Großteil römisch-katholisch, die Ruthenen dagegen gehören der griechisch-katholischen Kirche an. Dazu kommt die große Zahl der Juden und einige wenige Protestanten. Früher waren alle Schulen gemeinsam, und zwar polnisch. Doch als sich seit 10 bis 15 Jahren der Nationalsinn der Ruthenen, falsch beeinflußt von Rußland, zu regen begann, entstand eine Spaltung zwischen ihnen und den Polen. Sie bauten sich eigene ruthenische Gymnasien, theologische Lehranstalten, Mädcheninstitute und Studentenheime. Ja, diese Trennung geht so weit, daß die Ruthenen

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)