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ist. Von Aussuchen ist schon längst keine Rede mehr. Man bekommt die Päckchen geschlossen, zu 5 oder zu 10 Stück. Keiner bekommt mehr oder weniger. Ich habe nur einen einzigen Ausdruck dafür. Die Leute zittern danach. Nie in meinem Leben hätte ich bei den raffinierten Genußmenschen des zwanzigsten Jahrhunderts dieses Zittern nach einem so primitiven Genuß für möglich gehalten. Das kann man sich nicht vorstellen. Das muß man gesehen haben.


Przemysl, den 10. November 1914,
     am 4. Tag der 2. Belagerung.

Bei der ersten Post, die uns nach der Belagerung zuging, war eine Karte einer meiner Freundinnen. Sie war von Ende September datiert. Meine Freundin schrieb mir verzweifelt, daß sie seit drei Wochen ohne Nachricht von ihrem Mann ist, der im Felde steht und ich suchen soll, hier etwas über ihn in Erfahrung zu bringen.

Es war wohl seit Ausbruch des Krieges kein Tag vergangen, wo ich nicht an die beiden gedacht hatte. Wir hatten uns schon oft nach ihm erkundigt, konnten aber lange Zeit nichts über ihn erfahren.

Wenige Tage nachdem die Karte meiner Freundin kam, finde ich in unserem Spital, schwerverwundet, einen Hauptmann desselben Regimentes. Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen.

Ich fragte ihn um M.

„Oberleutnant Freiherr von M...,“ sagte der Hauptmann langsam und mühsam und nannte Regiment und Kompagnie, „Oberleutnant Freiherr von M... ist im September gefallen.“

Ich starrte ihn an, wie entgeistert.

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/71&oldid=- (Version vom 1.8.2018)