Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/31

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mehr zur Truppe zurück kann, weil jeder Bahnverkehr eingestellt ist. Es sind mehrere Herren auf diese Weise hiergeblieben. Der Hauptmann ist sehr zuversichtlich und erwartet sicher, daß wir in kurzem wieder die Offensive ergreifen und noch diesen Monat die Russen aus Galizien gedrängt haben werden. Herr, gib, daß er recht hat!

Auch davon sprach man gestern an verschiedenen Stellen, daß bei Jaroslau eine große Schlacht stattgefunden und einige russische Korps von Auffenberg geworfen worden sein sollen!

Ein anderer wieder sagte, die Russen seien in Jaroslau eingezogen! So ist das ein Chaos von Gerüchten, die plötzlich aufflattern und wieder verschwinden. Man kann nicht anders, als sich an das Gute klammern!


Przemysl, den 22. September 1914.

Heute früh um 1/210 Uhr, ich war gerade auf dem Ringplatz einkaufen, ist auf einmal ein leises Zittern und ein fernes, dumpfes Grollen in der Luft. Einmal — zweimal — dreimal — eine Pause, dann wieder und wieder.

Ich begriff sofort. Und wie ich dann nach Hause kam und am offenen Schlafzimmerfenster stand, alles um mich ruhig, da war es noch viel deutlicher zu hören. Ich stand und horchte und schickte den Unseren ein heißes Gebet, daß Gott sie segne.

Dann kam eine Magd und klopfte Teppiche, da war nichts mehr zu hören. Und der Alltag ging weiter, ich aß mein Gabelfrühstück, kochte unsere Limonade für Mittag und wunderte mich, daß ich so ruhig dabei war, als ob ich in Wien gewesen wäre. Kurze Zeit darauf kam unser Diener und putzte Besteck. Ob er den Kanonendonner gehört? Nein, er sei in der Küche

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)