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Wir sind beide todmüde und bitten unsere Wirtin, die Betten herzurichten.

„Recht, recht,“ sagt sie, und man schiebt ein merkwürdiges Etwas auf vier hohen Beinen in das Zimmer. „So, da ist das Bett!“

Das „Bett“ ist ein Brett auf vier hohen, dünnen Stelzfüßen. Die Töchter des Hauses eilen herbei und bringen schmutzige Polster aller Art und Größe. Diese Polster werden auf das Brett gelegt, hübsch unregelmäßig durcheinander, ein dünnes, ein dickes, ein kurzes, ein langes, ein großes, ein kleines, ein viereckiges, ein rundes. Darüber wird ein Leintuch gespannt, ein alter Diwanüberwurf dient als Decke, ein Polster kommt obenauf, das Bett ist bereit!

„Mania!“ sage ich zwischen Lachen und Weinen, wie wir endlich allein sind, „Mania, was tun wir?!“

Mania ist, wie ich, halb besinnungslos vor Müdigkeit. „Niederlegen —!" sagt sie kleinlaut.

Was soll ich noch über die Nacht berichten?

Sie brachte alles, was man sich unter diesen Umständen von einer Nacht erwarten kann — und noch mehr —!!

Hätte mich nicht die körperliche und seelische Erschöpfung niedergehalten, ich wäre unbedingt aufgesprungen und ins Freie hinausgelaufen.

Es war eine Nacht des grauen Elends. Ich konnte keinen Schlaf finden und war doch zu erschöpft, um mich wach zu erhalten. Alle Gespenster der Tiefe waren in diesem Dämmerschlaf.

Die Sandwüste — du und ich, getrennt, auseinandergerissen, verloren in dieser Sandwüste, durch die wir waten, ohne zueinander kommen zu können, die uns verschlingt, erstickt —!

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)