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Alle Urlaute der Hölle sind los. Man könnte sich aus einem feuerspeienden Berg mitten im Lavaregen glauben.

Wir haben begriffen.

Die Stunde ist gekommen.

Jeder Donnerschlag trifft uns mitten ins Herz. Die Hände krampfen sich zur Faust.

Jeder Donnerschlag ein Aufschrei der Toten, die umsonst geblutet, der Hungernden, die umsonst gehungert.

Jeder Donnerschlag ein Aufschrei der hunderttausend gemarterten Seelen, die ihr Herzblut für dieses Werk gegeben.

So geht es die ganze Nacht.

Von Zeit zu Zeit fliegt ein einzelnes gehetztes Automobil durch die Straßen. Ein Aeroplan rattert so dicht an unserem Fenster, daß man ihn im Zimmer meint. Der letzte Aeroplan, der heimwärts flieht.

Ab und zu schlummern wir vor Ermüdung ein. Ein Halbschlaf mit einem furchtbaren Alp auf der Brust, von dem man sich immer befreien will. Ein Halbschlaf voll unerklärlicher, grauenhafter Töne, wie ein wahnwitziges, grelles Auflachen der Hölle.

Um halb vier Uhr früh eilt Polizei durch die Straßen, dringt in die Häuser.

„Auf! Auf! Alles aus den Häusern! Alle Fenster öffnen! Man sprengt die Werke! Man sprengt die Brücken!“

Keine Zeit zum Waschen, keine Zeit zum Kämmen. Man springt in die Kleider und schließt sich dem unabsehbaren schwarzen Zug von Menschen an, der von dem Militär, das alle Straßen besetzt hält, in die Slovackigasse dirigiert wird.

In den Straßen totenbleiche Gesichter, im ersten fahlen Dämmerlicht des Morgens. Soldatenspalier. In

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)